FÜNFKAMPF
VOR DEM TRAINING
Als Offensivtalent aus der Region hatte Dirk Geger beim VfL
durchstarten
sollen. Dann zog ihn im dümmsten Moment
die
Bundeswehr
ein.
Als er gerade seine Tasche packte, klingelte es an der Tür. „Bist du
der Dirk? Ich will dich zum Training abholen.“ Seinen Chauffeur
Manfred Wuttich hatte Dirk Geger bis dahin allenfalls aus der Ferne
gekannt. Nun stand der VfL-Toptorjäger plötzlich unangekündigt
im Hausflur, um den Neuen mit nach Wolfsburg zu nehmen. „Das
war natürlich ein sanfter Einstieg für mich. Dass der Trainer mich
gleich zum ersten Training extra von zu Hause abholen lässt, darüber
habe ich mächtig gestaunt“, erinnert sich der 71-Jährige, der zum
Trainingsauftakt
1966/1967 am Elsterweg vorstellig wurde. In diesem
Moment aber war ihm schon klar, dass er sportlich einen schweren
Stand haben dürfte.
Schon der Zwei-Klassen-Sprung aus der Verbandsliga von Rot-Weiß
Braunschweig zu den Grün-Weißen, zu dieser Zeit ein Regionalliga-Spitzenteam,
schien ambitioniert. Doch Chefcoach Imre Farkaszinski
hielt große Stücke auf
Geger. „Er hatte mich in
acht Auswärtsspielen
und vier Heimspielen
beobachtet, wie er mir
später mal erzählte. Weil
er darauf Wert legte,
dass man sich nicht
nur vor heimischem
Publikum behaupten
kann.“ Mit dem schärferen
Training kam der
Braunschweiger
sogar
noch gut klar, doch
drillte
ihn in dieser Phase
nicht nur der Ungar.
„Kurz vor meinem Start
beim VfL erhielt ich
überraschend meinen
Einberufungsbescheid.
Günther Brockmeyer
versuchte noch, mich
zurückstellen zu lassen. Aber leider vergebens.“
Doppelbelastung: Durch seine Einberufung
in die Bundeswehr
hatte Dirk Geger im Sommer 1966 einen schweren
Wieder begann eine Zeit des Pendelns, diesmal im Gespann mit Fredi
Rotermund, der ebenfalls in Braunschweig stationiert war. „Das war
eine riesige Hilfe, zumal ich kein eigenes Auto hatte.“ Speziell die
vorherige Grundausbildung in Wolfenbüttel setzte Geger erwartungsgemäß
zu. „Ich habe oft gefehlt oder kam abgehetzt und erschöpft
am Elsterweg an. Einmal haben wir beim Bund einen Fünfkampf
absolviert mit 5.000-Meter-Lauf, Weitsprung und allem Drum und
Dran. Direkt
danach ging es nach Wolfsburg zum Training.“ Sich für die
Startelf zu empfehlen, zumal die erste Garnitur bärenstark aufspielte
Geger (links) behauptet den Ball gegen den wüst heranstürmenden Gegenspieler
vom damaligen Ligarivalen 1. SC Göttingen 05. Das NFV-Pokalspiel ging mit 2:3 vor
heimischem Publikum verloren.
in dieser Saison, fiel dem gelernten Mittelstürmer schwer. Sieben
Einsätze als Rechtsaußen kamen trotzdem zusammen, beim 1:0-Sieg
in Bergedorf gelang ihm gar das Goldene Tor. Die übrige Zeit aber
verbrachte er auf der Tribüne. „Auswechseln durfte man ja noch nicht.
Deshalb fuhren als Not-Reserve für mögliche Verletzungen vor Anpfiff
immer ein Torwart, ein Abwehrspieler und ein Offensiver mit zu den
Spielen. Der Offensive war meistens ich.“
Nach der Saison zog es Geger zurück zu Rot-Weiß sowie ein Jahr
später zum 1. FC Wolfsburg, was sich beides besser mit seiner Arbeit
vertrug. Im Werk arbeitete er nach Ende seiner 1960 startenden
Lehre in der Dreherei lange in Früh- und Spätschicht. Die innerbetriebliche
Meisterschule ermöglichte ihm 1972 den Wechsel in die
Standardabteilung und dort in
den Bereich Arbeitsstudien. Als
Volkswagen Ende der Dekade
ein neues Verfahren namens
Methodenzeitmessung einführte,
kniete sich Geger so tief in die
Materie, dass er bald Meister
und Unterabteilungsleiter darin
schulte. Nach 43 Jahren im Haus
verabschiedete er sich zufrieden
2003 in den Vorruhestand.
„Meine Zeit bei Volkswagen
ist optimal verlaufen. Mit dem
Fußball kürzerzutreten, hatte sich
vollauf gelohnt.“
Nach 43 erfolgreichen Jahren bei Volkswagen ist Geger heute im
Vorruhestand
und zufrieden, damals im Fußball kürzergetreten zu sein.
Stand im Team.
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VOLKSWAGEN | 59
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