Guten Morgen, Herr Witter!
Frank Witter: Guten Morgen! Schauen Sie mal, ich war extra für
Sie und Ihren Fotografen beim Friseur! (Das Interview wurde vor
dem Ausbruch des Coronavirus geführt. Anm. d. Red.)
Sehr schön! Wir haben uns gerade ein paar Fotos aus Ihrer
aktiven Zeit Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre angesehen.
Weiß ja heute kaum noch jemand, dass Sie mal ein
gefürchteter Verteidiger mit langer blonder Matte waren.
Witter: Sagen wir mal so: Es war nicht vergnügungssteuerpflichtig,
gegen mich zu spielen. Von den technischen
Möglichkeiten war ich bestenfalls Durchschnitt, aber ich
hatte eine extrem gute Physis und einen starken Willen.
Beides hat mich immerhin bis in die 2. Liga gebracht, also
an den oberen Bereich meiner Möglichkeiten. Das war
schon eine tolle Erfahrung.
Wissen die VfL-Profis eigentlich, dass ihr oberster Boss
selbst mal so weit oben gespielt hat?
Witter: Das kann ich mir nicht vorstellen. Warum sollte es die
Spieler interessieren, dass ich auch ein paar Mal den Ball hochgehalten
habe? Mir persönlich hilft es aber schon, dass ich
durch meine persönliche Vergangenheit im Fußball ein paar
Dinge einordnen kann, dass ich mich in gewisse Situationen
hineinversetzen kann. Aber sonst? Es ist nicht meine Aufgabe,
den Jungs taktische Anweisungen zu geben.
Zwischen 1979 und 1981 haben Sie in der 2. Liga Nord
76 Spiele für den OSV Hannover gemacht und sogar ein Tor
geschossen. Wie viel Geld hat man denn damals so verdient?
Witter: Ach, das waren andere Zeiten. In einem Top-Monat
mit vielen Siegprämien habe ich vielleicht mal 2.000 Mark
herausbekommen, ansonsten etwa die Hälfte. Für mich als
Student war das natürlich viel Geld – ich konnte mir abends
in der Kneipe auch noch das zweite Bier leisten, ohne mein
Portemonnaie doppelt checken zu müssen. Profis im heutigen
Sinne waren wir sicherlich nicht. Ja, wir hatten ganz offizielle
Verträge, aber keiner von uns hat vom Fußball gelebt, keiner
konnte nur für den Fußball leben. Alle sind nebenbei arbeiten
oder studieren gegangen.
Das war problemlos möglich?
Witter: Schon. Wenn Sie irgendwann mal kapiert haben, dass
man als Student nicht den ganzen Tag in der Uni sitzen muss,
sondern den Lehrstoff auch etwas flexibler zu sich nehmen kann,
war das völlig unproblematisch. Abends bin ich dann zum Training
gegangen und habe das Privileg genossen, in so jungen Jahren
auf höherem Niveau Fußball zu spielen. Die größte Herausforderung
war, dass ich nicht jede Party mitnehmen konnte.
Da kannten die Trainer schon zu dieser Zeit kein Pardon?
Witter: Absolut nicht. Es gab die klare Anweisung, dass wir
abends um elf zu Hause zu sein hatten. Ab und zu gab es
Kontrollanrufe – bei mir nicht so oft, weil ich ja noch bei
meinen Eltern wohnte. Unser Trainer Kaschi Mühlhausen hatte
seine Augen und Ohren überall, auch in der „Heck-Meck-
Gasse“, das war zu dieser Zeit die angesagte Diskothek in
Hannover. Und wir waren fast alle ehrgeizig genug, uns durch
zu lange Nächte nicht alle Chancen zu verbauen.
Wie sind Sie mit dem OSV zu den Auswärtsspielen gereist?
Witter: Immer erst am Spieltag und gleich danach zurück,
meist mit einem klapprigen Bus. Ich kann mich an ein Spiel
Lesen Sie weiter auf Seite 39.
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