schaffenszeit – von dieser Ära markiert die Mannschaft von 1970
wiederum den Höhepunkt. Schon in den Vorjahren hatte der VfL
im norddeutschen Raum zu den Spitzenteams gehört, war zuletzt
Vierter, Dritter und Siebter geworden. „Jetzt aber waren wir
wirklich reif für den Aufstieg. Nicht nur die Qualität im Team war
beachtlich, sondern auch der Zusammenhalt“, schwärmt Weigel.
Sehr wenig fehlte Wölfi Krause, Fredi Rotermund, Wilfried
Kemmer und Kollegen, nachdem sie die Regionalliga Nord mit
ihrem Offensivfußball aufgemischt hatten, zum Staffelsieg. Erst
am letzten Spieltag bekam der VfL Osnabrück seinen Meistertitel
verteidigt. Schon einen Punkt dahinter rauschten die Wölfe ins
Ziel. Und die Vize-Meisterschaft bedeutete: Zum ersten Mal überhaupt
löste der VfL Wolfsburg, seit dem Abstieg aus der ehrwürdigen
Oberliga Nord 1959 durchgehend auf der zweithöchsten
Ebene aktiv, ein Ticket für die Aufstiegsrunde zum Oberhaus.
Ganz Wolfsburg träumte davon, bald Uwe Seeler, Franz Beckenbauer
und Günter Netzer am Elsterweg wirbeln zu sehen.
Cheftrainer als Ersatzfotograf
„Die Euphorie war überall zu spüren, bei den Fans genauso
wie im Verein“, bestätigt Weigel, der sich nach seinem schwierigen
Start zum Ende der Regionalliga-Saison mit Nachdruck
empfohlen hatte, auch während des Sommerturniers zum Kader
zu zählen. Kurz vor der Abreise zur ersten Auswärtspartie kam
ihm dann der Geistesblitz. „Ich dachte mir, so eine Aufstiegsrunde
erlebt man nicht alle Tage, da habe ich die Kamera
einfach mal eingepackt und dem Trainer vorgeschlagen, für die
gesamte Mannschaft Fotos zu machen.“ Farkaszinski willigte ein,
woraufhin Weigel den Reisetross fleißig fotografierte. Ehe es
das erste Mal ans Eingemachte ging, wollte sich der Einwechselspieler
zur Vorsicht aber doch vergewissern: Hatten auch Fotos
auf der Ersatzbank – heutzutage unvorstellbar – den Segen des
Verantwortlichen? Farkaszinskis Antwort bringt Weigel noch
heute zum Lachen. „Er sagte tatsächlich: ‚Mach das, Jochen, ich
finde das gut. Und wenn du eingewechselt wirst, dann gib mir
die Kamera. Dann fotografiere ich halt so lange.‘“
Beim Kartenkloppen nicht dabei
Und so knipste Jochen Weigel munter drauf los: am Treffpunkt
zur Abfahrt, im Bus, im Mannschaftshotel, beim Spaziergang
mit den Kollegen und wahrhaftig auch während der Punktspiele
von der Reservebank aus. Nicht alle Aufnahmen sind etwas
geworden, einige zeigen nur unscharfe Szenen oder sind zu
dunkel für den Abdruck in einem Magazin. Doch sind es nicht nur
die Bilder selbst, die den Charme dieser Aufstiegsrunde zurück in
die Gegenwart holen, sondern genauso Weigels Erzählungen,
da er sich fast an jede fotografierte Szene haargenau erinnert –
wohlgemerkt 50 Jahre danach. „Die Bilder, auf denen ich zu
sehen bin, hat alle Ingo geschossen“, klärt er beispielsweise auf.
Präzise vor Augen hat er auch die Spazierstrecken im Umfeld
der Quartiere. Und würde er noch einmal mit den Kollegen
denselben Reisebus besteigen, Weigel hätte vermutlich keine
Probleme, allen Mitspielern ihre gleichen Polstersitze wie damals
zuzuweisen. „Wir hatten auf unseren Auswärtsfahrten zwei
Fraktionen, nämlich Poker und Skat. Ich war aber bei keiner dabei,
sondern habe lieber weiter vorn gesessen. Mir war das hinten
meistens zu wild.“
Nahtloser Übergang nach der Saison
Über die gewaltige Chance, die in der Teilnahme an dieser
Aufstiegsrunde lag, waren sich alle Grün-Weißen, wie Weigel
berichtet, im Klaren. So hatte man eigens VfL-Vertreter zur
Beobachtung der Gegner entsandt, die man aus dem Ligabe-
trieb schließlich nicht kannte. Auch eine Prämie für den Erfolgsfall
bekam die Mannschaft, wenn auch nach äußerst zähem
Ringen mit der Vereinsführung, irgendwann ausgehandelt. „Wir
haben das Ganze sehr ernst genommen, wussten aber auch um
unsere Außenseiterrolle. Deshalb haben wir uns letztlich gesagt:
Versuchen wir einfach, das Bestmögliche herauszuholen und
als Verein eine gute Figur abzugeben.“ Genau sechs Tage lagen
zwischen dem Saisonschluss in der Regionalliga Nord und der
ersten Aufstiegsrunden-Partie.
Ein eigenes Trainingslager buchte
VfL-Fußballboss Günter Brockmeyer für diese Phase nicht.
AUFSTIEGSRUNDEN ZUR BUNDESLIGA
Saison Gruppe 1 Gruppe 2
1963/1964 Borussia Neunkirchen Hannover 96
FC Bayern München KSV Hessen Kassel
SC Tasmania 1900 Berlin Alemannia Aachen
FC St. Pauli FK Pirmasens
1964/1965 Borussia Mönchengladbach FC Bayern München
SSV Reutlingen 05 1. FC Saarbrücken
Holstein Kiel Alemannia Aachen
Wormatia Worms Tennis Borussia Berlin
1965/1966 Fortuna Düsseldorf Rot-Weiss Essen
FK Pirmasens FC St. Pauli
Hertha BSC 1. FC Saarbrücken
Kickers Offenbach 1. FC Schweinfurt 05
1966/1967 Borussia Neunkirchen Alemannia Aachen
Schwarz-Weiß Essen Kickers Offenbach
SV Arminia Hannover 1. FC Saarbrücken
FC Bayern Hof 1. SC Göttingen 05
Hertha BSC Tennis Borussia Berlin
1967/1968 Kickers Offenbach Hertha BSC
Bayer Leverkusen Rot-Weiss Essen
TuS Neuendorf SV Alsenborn
Tennis Borussia Berlin 1. SC Göttingen 05
SV Arminia Hannover FC Bayern Hof
1968/1969 Rot-Weiß Oberhausen Rot-Weiss Essen
Freiburger FC VfL Osnabrück
SV Alsenborn Karlsruher SC
Hertha Zehlendorf SC Tasmania 1900 Berlin
VfB Lübeck TuS Neuendorf
1969/1970 Arminia Bielefeld Kickers Offenbach
Karlsruher SC VfL Bochum
SV Alsenborn Hertha Zehlendorf
Tennis Borussia Berlin VfL Wolfsburg
VfL Osnabrück FK Pirmasens
1970/1971 VfL Bochum Fortuna Düsseldorf
VfL Osnabrück Borussia Neunkirchen
FK Pirmasens FC St. Pauli
Karlsruher SC 1. FC Nürnberg
SC Tasmania 1900 Berlin Wacker 04 Berlin
1971/1972 Wuppertaler SV Kickers Offenbach
VfL Osnabrück Rot-Weiss Essen
Borussia Neunkirchen FC St. Pauli
SpVgg Bayern Hof Wacker 04 Berlin
SC Tasmania 1900 Berlin SV Röchling Völklingen
1972/1973 SC Fortuna Köln Rot-Weiss Essen
FC St. Pauli SV Darmstadt 98
1. FSV Mainz 05 SV Röchling Völklingen
Karlsruher SC VfL Osnabrück
Blau-Weiß 90 Berlin Wacker 04 Berlin
1973/1974 Eintracht Braunschweig Tennis Borussia Berlin
1. FC Nürnberg FC Augsburg
SG Wattenscheid 09 Rot-Weiß Oberhausen
Wacker 04 Berlin Borussia Neunkirchen
1. FC Saarbrücken FC St. Pauli
Aufsteiger in Grün, weitere Teilnehmer jeweils in weiß darunter
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