MEINUNG 27
„IM FUSSBALLGESCHÄFT EHER SELTEN“
EINGASTKOMMENTARVONANDREAS PAHLMANN, SPORTREDAKTION WAZ
Sein herzliches „Alles gut?“ zur Begrüßung wird fehlen.
Nicht nur mir, sondern vielen Kollegen, denen Wolfgang
Hotze das war, was Journalisten im Bundesliga-Alltag nur
noch selten finden: ein verbindlicher Gesprächspartner,
der sich selbst nicht wichtiger nimmt als nötig. Man konnte
ihn alles fragen. Und wenn er die Antwort schuldig bleiben
musste, weil er keine Ahnung von dem Thema hatte, dann
sagte er das auch genau so.
Meine Lieblingsgeschichte von und mit Wolfgang Hotze
geht so: Mit Felix Magath reiste er im Sommer 2007 nach
Tschechien, um den Transfer eines Stürmers einzutüten.
Vor der Abfahrt schaute er bei transfermarkt.de nach, was
der Spieler denn wohl so wert sei. 1,5 Millionen Euro waren
dort vermerkt. Kosten sollte er aber fast 4 Millionen, was
Hotze dann doch ein bisschen übertrieben fand und von
Magath überredetwerden musste, den Angreifer dennoch
zu verpflichten. Dreieinhalb Jahre später hat der VfL Edin
Dzeko für über 30 Millionen Euro verkauft. Dass Hotze
selbst diese Geschichte erzählt und damit seinen Irrtum
eingestanden hat, sagt schon viel über ihn. „Mit Magath
kam ich gut klar, weil ich nicht unter dem Verdacht stand,
über Fußball-Sachverstand zu verfügen“, sagte er mal.
Schöner kann man es nicht formulieren.
Er verstand dafür viel von Geld und wie man den Umgang
damit organisiert. Der verpasste Erstliga-Aufstieg 1995
hatte die VfL-Fußballer an den Rand des finanziellen Kollapses
geführt, der Verkauf von Claus-Dieter Wollitz an den
1. FC Kaiserslautern das Überleben gesichert. Als Hotze ein
Jahr später der Finanz-Mann im damaligen Fußball-
Vorstand wurde, war die Lage immer noch „desolat“, wie
er selbst sagt. Seitdem ist viel passiert. Aus der Fußball-
Abteilung wurde erst der „wirtschaftliche Geschäftsbetrieb
Lizenzfußball“, wie das damals hieß, und später dann die
Fußball-GmbH, in der das Führungspersonal in immer
schnellerer Folge wechselte. Irgendwann fiel auf: Da ist ja
einer, der immer noch da ist. Und da blieb.
Als wir in der Woche vor seinem letzten Arbeitstag Hotzes
Mitstreiter aus 22 Jahren anriefen und um ein paar Worte
zum VfL baten, fiel ein Wort besonders häufig: uneitel. Und
diese Eigenschaft sei, so stellte es nicht nur sein einstiger
Mit-Geschäftsführer Klaus Allofs fest „im Fußballgeschäft
eher selten“. In seiner Abschiedswoche beim VfL waren
wir essen, plauderten über das, was anderswo „Gott und
die Welt“ genannt wird, sich in diesem Fall aber auf Fußball
und Automobilbau beschränkt. Wir gingen sie noch
einmal durch, die Stationen. Aufstieg, Stadionbau, Magath,
Winterkorn, Hoeneß, Relegation, Labbadia – und die beiden
letzten Jahre, in denen er plötzlich in dem Rampenlicht
stand, in das er nie hatte drängen mögen. Mehr als jedem
anderen VfL-Verantwortungsträger der letzten gut 20 Jahre
sind seine Erinnerungen enorm präzise. Aber Wolfgang
Hotze ist nicht der Typ, der bei dieser Gelegenheit eine
Anekdote nach der anderen raushaut und dem Chronisten
spektakuläre Geheimnisse anvertraut. Er ist vielmehr einer,
der erklärt, einordnet, bewertet. Kurzum: Gespräche mit
ihm trennen Wichtiges von Unwichtigem. Auch das ist eine
Qualität, die dem VfL fehlen wird.
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