Selten, aber häufig genug: Auch bei widrigen Bedingungen brauchen die Unparteiischen, wie hier Christian Bandurski im Berliner Olympiastadion, den regeltechnischen Durchblick.
EXTRAFAHNEN AM STRAFRAUMRAND
INTERVIEW MIT EINEM SCHIEDSRICHTER AUS DER REGION ÜBER
BESONDERE HERAUSFORDERUNGEN DES WINTERS
Fußball bei Kälte, Eis und Schnee – da kommen speziell unterhalb der Profiligen mitunter versteckte Bereiche im Regelwerk zum
Tragen. Ein Mann, der sich auskennt, ist Boris Schmelter, der als langjähriger aktiver Schiedsrichter Bezirksliga-Spiele in Nieder sachsen
und Bremen geleitet hat und im Frauen- und Junioren-Bereich in der höchsten Spielklasse an der Seitenlinie stand. Was genau Unparteiische
in der kalten Jahreszeit beachten müssen, das verrät der 40-jährige Reisekaufmann, der heute als ehrenamtlicher Schiedsrichterbetreuer
fungiert und zudem als freiberuflicher Fotograf häufig die Spiele der Wölfinnen besucht, im Kurzinterview.
Boris Schmelter, jeder Amateurfußballer kennt das: Man schaut
morgens aus dem Fenster und fragt sich, ob das Spiel wohl
stattfinden wird. Wer genau entscheidet das?
Boris Schmelter: Das hängt immer davon ab, wem der Platz
gehört. Grundsätzlich gibt es für eine Absage drei Möglichkeiten.
Bei einer städtischen Anlage liegt die Entscheidung bei der Stadt.
Ist der Verein selbst Inhaber der Spielfläche, bestellt er, jedenfalls
in Bremen und Niedersachsen, die Platzkommission. Das
letzte Wort liegt aber immer beim Schiedsrichter. Auch wenn die
Veranstalter ein Spiel gern durchführen wollen, kann er trotzdem
die Partie – auch kurzfristig noch – absagen.
Ist der Rasen komplett mit Schnee bedeckt, wird trotzdem
manchmal gespielt. Welche Bedingungen müssen in solchen
Fällen erfüllt sein?
Schmelter: Streng genommen muss der komplette Platz freigeräumt
sein. Vor allem aber geht es darum, dass eine erhöhte
Verletzungsgefahr ausgeschlossen ist und dass die Linien erkennbar
sind. Im Regelwerk ist zur Kennzeichnung der Sechzehner und
der Fünfmeterräume sogar das Aufstellen von zusätzlichen acht
Hilfsfahnen vorgesehen. Ehrlich gesagt habe ich das aber noch
nie in der Praxis erlebt (lacht).
Und wenn es erst während des Spiels heftig zu schneien
beginnt?
Schmelter: Dann kann es durchaus zum Spielabbruch kommen.
Ich hatte es einmal, dass ich nach der Halbzeit nicht wieder angepfiffen
habe, weil der Platz in der Pause komplett eingeschneit
war. Außerdem gilt – wie auch beim Nebel – der Grundsatz,
dass man im Schneetreiben beide Tore vom jeweils anderen
aus erkennen können muss.
Ab wann kommen rote Bälle ins Spiel?
Schmelter: Das ist in der Spielordnung nicht eindeutig festgelegt.
Wenn aber Schnee liegt oder die Gefahr besteht, dass es schneien
könnte, sollte der gastgebende Verein darauf vorbereitet sein. Die
Bälle müssen aber nicht zwingend rot sein. Gelb oder schwarz
geht beispielsweise auch.
Lange Unterhosen und Handschuhe sind weit verbreitet. Dürfen
Spieler im Winter eigentlich anziehen, was sie wollen?
Schmelter: Theoretisch ja. Streng genommen müssen Radlerhosen
farblich mit den kurzen Hosen zwar übereinstimmen. Aber
auf Amateurebene, weil es natürlich auch eine Kostenfrage ist,
sind die Unparteiischen da nachsichtig. Ansonsten gilt nur die
Einschränkung, dass von der Kleidung keine Verletzungsgefahr
ausgehen darf.
Gelten für Schiedsrichter die gleichen Klamotten-Regeln?
Schmelter: Selbstverständlich. Wir haben es zwar wegen des
meist schwarzen Outfits etwas einfacher. Auch wir müssen
uns aber an die Farbregel halten und dürfen zum Beispiel keine
Stirnbänder oder Mützen mit Metallaufnähern tragen.
Wie wappnen Sie sich persönlich gegen die Kälte?
Schmelter: Ich benutze vor dem Spiel ein Aufwärmöl, um die
Muskeln zu lockern. Damit beugt man auch der Verletzungsgefahr
vor. Außerdem habe ich zwei Unterziehhemden dabei, um mich in
der Pause umziehen zu können. Dann Skiunterwäsche, Thermoshirts,
Handschuhe und, ganz wichtig, zusätzlich zum Kuli immer
einen Bleistift. Weil der bei Kälte und Nässe zuverlässiger schreibt.
Und natürlich ist richtiges Aufwärmen, wie bei den Mannschaften
auch, das A und O. mg
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