WÄRMESALBEN UND RADLERHOSEN
FUSSBALL IN DER KÄLTESTEN JAHRESZEIT, DAS WAR SCHON IMMER ETWAS
FÜR LIEBHABER. VfLAKTIVE AUS ALLEN DEKADEN ERINNERN SICH
Malerisch schön, aber nicht bespielbar: Der Elsterweg während des Jahrhundertwinters.
Kalt erwischt wurde 1978/1979 nicht nur der VfL Wolfsburg.
Stromversorgung, Telefonnetze, Nahverkehr – fast das
komplette öffentliche Leben brach plötzlich zusammen, als kurz
vor Jahrendende die Temperaturen – nach einem normalen
10-Grad-Matsch-und-Nieselregen-Weihnachten – ins Bodenlose
stürzten. Nicht nur Autos und LKWs, auch ganze Züge blieben
in den Schneemassen stecken. Die Bilder der Bundeswehr- und
NVA-Panzer, die sich an abgeschlossene Orte vorarbeiteten,
gingen um die Welt. „So viel Schnee habe ich anschließend
niemals wieder gesehen“, gab Dieter Winter, VfL-Spieler von
1974 bis 1982, einmal zu Protokoll. „Es war schwierig genug,
überhaupt zur Arbeit zu kommen. Deshalb war ans Fußballspielen
gar nicht denken.“
Neun VfL-Spielausfälle am Stück
Was sich zwischen Dezember 1978 und März 1979 in Deutschland
ereignete, ging als Jahrhundertwinter in die Geschichtsbücher ein.
Fußball gespielt wurde, wo es irgendwie möglich war, trotzdem.
Zumal eine Winterpause noch nicht existierte, wurde seitens der
Verbände alles versucht, um den Spielbetrieb am Laufen zu halten.
Mit bescheidenem Erfolg: 46 Spielabsagen allein in der Bundesliga
markierten einen wohl ewigen Rekord. Keinen Deut besser war
die Lage freilich in der Regionalliga Nord. Dort hatten die Wölfe,
die in dieser Saison zweimal den Trainer wechselten, ohnehin eine
miserable Hinrunde gespielt. Und gerade als sie vom 14. Platz
aus das Feld von hinten aufrollen wollten, kam der Frost. Woche
für Woche kämpften die Grün-Weißen um eine Einsatzchance.
Doch weder die Schneefahrzeuge noch die vielen freiwilligen
Helfer bekamen das VfL-Stadion hin. Neun Ausfälle reihten sich
aneinander. Als es endlich weiterging, folgte alle drei Tage ein
Spiel. Es wurde Mitte Juni, ehe alle Termine nachgeholt waren.
„ Unserem technisch versierten Stil kamen Schnee und Eis überhaupt
nicht entgegen. Wir waren froh, als wir wieder auf grünem
Rasen spielen konnten“, so Winter, der trotzdem mit seiner Truppe
in der Endabrechnung noch Fünfter wurde.
Fotos und persönliche Geschichten
Der Winter vor genau 40 Jahren war auch als VfL-Sicht wohl der
markanteste. Auch wenn aber nicht jedes Jahr der Schnee bis zur
Querlatte steht, so ist die kalte Jahreszeit, hört man sich unter
grün-weißen Ehemaligen aller Dekaden von den 50ern bis in die
00er Jahre um, irgendwie doch seit jeher des Fußballers natürlicher
Feind. Aufnahmen von Winter-Spielen der Wölfe haben nicht nur
die Schwierigkeiten, die Frost und Tauwetter den Aktiven bereitet
haben, schön transportiert, sondern teils auch die persönlichen
Kniffe, mit denen sie sich gegen das Wetter wappneten. So erfährt
man beim Streifzug durch die Jahrzehnte neben dem verbreiteten
Einsatz von Salben, Tees, Massagen und diversen Beinkleiderarten
auch von teils erstaunlich perfiden Tricksereien. mg
Schnatterkalt? Ganz egal. Bei Schlagerspielen ist das VfL-Stadion in den 70ern
trotzdem bestens besucht.
Nicht nur LKWs und Züge, sogar der VW-Käfer kommt bei solchen
Schneemengen nicht von der Stelle
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