60er
KÄFER FREIGEKRATZT UND LOS
AM ELSTERWEG BEKAM MAN IN DEN 60ERN DEN SCHNEE
MEIST GUT IN DEN GRIFF. AUSWÄRTS WAR ES ANDERS
Denkt er an Fußball im Winter, dann sieht sich Wilfried Reckel
sofort in Osnabrück. „Schon auf der Fahrt dorthin hat es ununterbrochen
geschneit. Dieses Spiel hätte man niemals anpfeifen
dürfen. Es fand aber tatsächlich statt. Ich habe uns noch vor
Augen, wie wir alle in unseren Strumpfhosen dort im Schnee
rumwühlt haben.“ Zu Hause, erinnert sich Reckel, habe es solche
Szenen zu seiner Zeit eher nicht gegeben. „Im VfL-Stadion wurde
meistens geräumt. Schwieriger waren die Auswärtsspiele, zumal
oft ja aufwändige Reisen damit verbunden waren.“ Etwas Gutes
aber habe die kalte Jahreszeit für die Wölfe-Fußballer in den 60er
Jahren gehabt. „Wenn es zu glatt gewesen ist, dann durften wir
manchmal mit einem großen Reisebus fahren. In den kleinen
Bullis war es dann zu gefährlich.“
Komplette Dekade durchgespielt
Am Elsterweg spielte Reckel zu einer spannenden Zeit. Noch zu
Oberliga-Zeiten hatte er ab 1958 erstmals in der Ersten mittrainiert.
Die VfL-Truppe, die sich nach dem Abstieg ein Jahr
später neu zu erfinden begann, prägte er mit. Als eisenharter Verteidiger,
Ballverteiler im Mittelfeld oder gern auch mal – wie im
legendären Aufeinandertreffen mit Superstar Pele – als Kettenhund
schaffte Reckel mit den Wölfen 1963 die Qualifikation für
die neue Regionalliga, die der VfL zu seinem Karriereende 1970
als Spitzenteam mitdominierte. Etliche, teils strenge Winter, hat
er auf dem Platz also miterlebt. „Für mein Spiel war das Wetter
allerdings weniger wichtig als für meine Gegenspieler“, lacht der
79-Jährige, der im Hauptberuf als Elektriker bei Volkswagen tätig
war. „Zwei, drei Mal die Woche durften wir früher gehen, die
Arbeit war mit dem Fußball gut abgestimmt. Dann ist man also
raus aus dem Werk, hat den Käfer vom Eis befreit und ist direkt
zum Training gefahren.“
Siegtor nur vom Hörensagen
Über das richtige Schuhwerk mussten die VfL-Spieler damals
nicht lange grübeln. „Ob lange, kurze oder mittlere Stollen – das
durften wir nicht selbst entscheiden, sondern wurde vorgegeben
vom Trainer. Die Betreuer haben die Dinger dann reingeschraubt,
und dann ging es raus.“ So also lief es auch in Osnabrück, wo die
Wölfe in Reckels Lieblings-Winterspiel nicht mit den Umständen
haderten. „Ärgerlicher wäre es gewesen, es wäre vor Ort noch
abgesagt worden und wir wären ohne Punkte wieder durch die
Kälte nach Hause gefahren. Statt dessen haben wir knapp dort
gewonnen“, ist der gebürtige Kästorfer sicher, ohne die Entstehung
der Treffer aber rekonstruieren zu können. „Es hat auch
während des Spiels so heftig weitergeschneit, dass ich das andere
Tor gar nicht sehen konnte.“ mg
Jetzt alle mal recht unfreundlich: Wölfi Krause, Waldemar Fornalik, Heinz Fischer, Waldemar Gust,
Toni Matz, Werner Wischniowsky, Rainer Wittmann, Ingo Eismann, Dieter Grünsch, Uwe Funke und
Trainer Imre Farkaszinski (hinter Reihe von links) sowie Hannes Klitzke, Wilfried Reckel, Manfred
Wichmann, Wolfgang Simon, Fredi Rotermund und Dieter Thun im Dezember 1968.
Sehr mutig: Fredi Rotermund ohne Schienbeinschoner im Heimspiel gegen den
Bremer SV im Januar 1967.
VfL-Libero Toni Matz beim Abräumen im November 1969
gegen Göttingen 05
Den hat er: Dieter Grünsch trägt im selben Heimspiel die
dickste Buchse von allen.
Hermann-Dieter Bellut hält auf der Eisbahn
Elsterweg gerade noch das Gleichgewicht
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