MIT FUSS UND
KÖPFCHEN
JOELLE WEDEMEYER ZWISCHEN
FUSSBALL, STUDIUM UND PRAKTIKUM
Mittagspause, das Handy klingelt, unbekannte Rufnummer:
Hallo, hier ist Steffi Jones. Ein Moment, tausend Mal
erträumt,
wird plötzlich wahr. Anfang September beruft
die Bundestrainerin Joelle Wedemeyer ins Aufgebot der
A-Nationalelf.
Erstmalig gehört die U20-Weltmeisterin von
2014 zu den besten Spielerinnen in Deutschland. Auch im
Oktober ist sie erneut dabei, als es um die Qualifikation für
die Weltmeisterschaft geht. Sie sitzt zwar auf der Tribüne,
aber das Erlebnis und die Erfahrung kann der 21-Jährigen
niemand mehr nehmen. Im Interview mit „Unter Wölfen“
spricht die Abwehrspielerin über den VfL Wolfsburg, ihr
Studium
und ihr Praktikum und darüber, wie sie diesen
Dreiklang unter einen Hut bekommt.
Alle nennen dich Joelle. Dein vollständiger Name ist aber
Marie-Joelle Wedemeyer, richtig?
Joelle Wedemeyer: Ja, das stimmt. Meine Eltern wollten
gern einen Doppelnamen. Warum sie nicht Joelle-Marie
genommen haben, wissen sie selbst nicht. Denn Marie ruft
mich keiner. Obwohl, bei der Junioren-Nationalmannschaft
stand auf dem Spielbogen auch schon M. Wedemeyer.
Mit der U20 bist du vor drei Jahren Weltmeisterin
geworden.
Trotz des sportlichen Erfolgs verlierst du deine
Ausbildung
nicht aus den Augen und hast an der Fachhochschule
Ostfalia den Studiengang „Recht, Personalmanagement
und -psychologie“ belegt. Wie meisterst du
den Spagat zwischen Profi-Fußball und Lehre?
Joelle: Fußball ist klar meine Nummer eins. Alles andere wird
drumherum geplant. Für das Studium tausche ich mich viel
mit meinen Kommilitoninnen aus, treffe mich mit ihnen zum
Lernen. Seit September mache ich mein Pflichtpraktikum in
der Personalabteilung des VfL. Die Geschäftsstelle
ist nur
fünf Minuten vom Trainingsgelände am Elsterweg entfernt –
perfekte Bedingungen.
Wie sieht dein klassischer Tag aus?
Joelle: Ich stehe um 7.30 Uhr auf, bin um 9 Uhr im Büro oder
in der Umkleidekabine, wenn wir vormittags Training haben.
Entweder habe ich um 17 Uhr Feierabend oder bin bei einer
Nachmittags-Einheit bis 18 Uhr auf dem Platz, manchmal
anschließend im Athletikraum. Dann verabrede ich mich
immer mit jemandem zum Essen oder Kochen und abends
schaue ich dann in meine Unterlagen fürs Studium. Wenn
wir zu den Auswärtsfahrten im Bus unterwegs sind oder zum
Champions-League-Spiel fliegen, habe ich den aktuellen Stoff
immer dabei. Das geht ja heutzutage alles elektronisch.
Wie groß sind deine Entbehrungen?
Joelle: Ich verzichte auf nichts. Es verlagert sich eben viel
in den Abend, auch wenn ich Besorgungen machen muss.
Riesiger Erfolg: Joelle Wedemeyer (rechts) feiert den DFB-Pokalsieg gemeinsam
mit Tessa Wullaert.
Natürlich freue ich mich auch auf die Semesterferien, dann
gibt es nur Fußball, Fußball, Fußball.
Könnte dein Weg beispielhaft für junge, talentierte
Fußballerinnen
sein?
Joelle: Ich halte es für wichtig, sich auch ein berufliches
Standbein aufzubauen und vor allem auch praktische
Erfahrungen
zu sammeln. Wenn meine sportliche Karriere
vorbei ist, will ich gleich komplett in den Berufsalltag
einsteigen
können und nicht bei null anfangen.
Sehnst du dich nicht manchmal nach Normalität?
Joelle: Nein, auf keinen Fall. Ich liebe es, zu reisen und mit
der Mannschaft unterwegs zu sein. Aber ich möchte auf Tag
X vorbereitet sein und außerdem hilft mir die Abwechslung,
den Kopf frei zu bekommen. Das wiederum wirkt sich auf
meine Leistung aus.
Gibt es dennoch Dinge, die dich stressen?
Joelle: Weihnachtsgeschenke kaufen und Urlaub zu planen,
finde ich anstrengend – denn dafür fehlt mir manchmal
wirklich die Zeit.
Ist bei deinem Pensum schon einmal etwas richtig
schiefgelaufen?
Joelle: Da ich immer drei Wecker stelle und jede Trainingseinheit
checke, ist da noch nichts Schlimmeres passiert. Eine
Klausur habe ich dagegen schon einmal verhauen.
Was bedeutet dir mehr: Stammplatz oder Studienabschluss
mit 1,0?
Joelle: Stammplatz. Definitiv. Ich bin Leistungssportlerin und
brauche keinen Abschluss mit 1,0.
Was ist dein größtes Talent?
Joelle: Ist Disziplin ein Talent?
Es hilft dir deine sportliche Begabung auf den Punkt einzusetzen…
Joelle: Ja, dann passt es.
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