138 | 20 JAHRE EUROPAPOKAL
ISOMATTEN IM MITTELGANG
Unter allen möglichen Gegnern für die Europa-Premiere war Debrecen nicht gerade der attraktivste.
Vor allem nicht für die mitreisenden Fans.
Wer sich in einer unbekannten Welt bewegt, der zahlt häufig
erst einmal Lehrgeld. Das war auch im alten Jahrtausend
schon so. „Damals gab es noch Handys mit Auslandstarifen.
Unser damaliger Erster Vorsitzender hat sich aber trotzdem
ständig aus der Heimat anrufen lassen und jedem, der es
wollte, fröhlich über das Spiel Auskunft gegeben“, berichtet
Thomas Schneider und lacht. „Irgendwann hat ihn jemand
dann aufgeklärt, dass er bei jedem Telefonat mitbezahlt.“
Das Rückspiel in der ersten UEFA-Cup-Runde in Debrecen
am 28. September 1999 war das erste Pflichtspiel der Wölfe
außerhalb Deutschlands. Wer das Nagyerdei-Stadion von innen
gesehen hat, der hat somit Pioniergeist gezeigt. Und er hat, so
wie Schneider, viel zu erzählen. „Für mich war von vornherein
klar gewesen, weit vor der Auslosung, dass ich beim ersten
Auswärtsspiel im Europapokal mit dabei sein muss. Wohin es
ging, war mir völlig egal“, sagt der Wolfsburger. Angereist
ist er
seinerzeit wohlgemerkt
nicht durch die Luft. Sondern auf dem
beschwerlichsten
denkbaren Weg: im Bus.
Bunt zusammengewürfelte Truppe
„Mit einer Flugreise hatten wir uns durchaus beschäftigt,
aber
die Route war viel zu kompliziert. Ich kenne niemanden, der
mit dem Flugzeug dort gewesen ist.“ Etwa acht Autos aus
der Wolfsburger Region hat der heute 51-Jährige damals
vor Ort ausfindig gemacht. Damit dürfte er richtigliegen:
Knapp 80 VfL-Fans haben die Mannschaft von Wolfgang
Wolf im Osten Ungarns live unterstützt. Der größte Teil von
ihnen, um die 45 Personen, kam im einzigen Reisebus an.
„Ursprünglich hatten sowohl die Hehlinger Tennenwölfe als
auch wir Schlemmerbrüder eine Tour auf die Beine gestellt.
Weil beide Busse nicht mal halb voll gewesen wären, haben
wir die Reisen aber zusammengelegt.“
Auch Grün-Weiße,
die nicht Mitglied eines Fanclubs waren, kamen mit an Bord.
Zwei Fans von den „Amper-Wölfen“ wurden gar eigens in
München eingesammelt.
Da sich etliche Insassen vorher nicht
kannten, entstand eine spannende neue Gemeinschaft. „In der
Fanszene machte sich erst allmählich eine Aufbruchsstimmung
breit. Es war wesentlich schwieriger als heute, etwas auf
die Beine zu stellen“, so Schneider, der sich dennoch an eine
„top organisierte
Reise“ erinnert und gleich hinterherschiebt:
„Meine Kreuzschmerzen von damals habe ich allerdings auch
nicht vergessen.“
Gutes Sitzfleisch gefragt
Die Autobahn-Strecke zwischen Elsterweg und der Spielstätte
des VSC Debrecen beziffert Google Maps auf 1.230 Kilometer,
was auf den heutigen Straßen eine knapp zwölfstündige
Fahrt bedeuten würde – mit dem Auto wohlgemerkt. Wer
also vor 20 Jahren diese Distanz im Reisebus bewältigte, der
hat eine wahre Ochsentour unternommen. „Auf der Hinfahrt
Die unverwüstlichen Wölfe im Nagyerdei-Stadion.
Thomas Schneider (Vierter von rechts) ist mittendrin.