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nie mehr hin!“, hieß es dann. Zwei Wochen später standen
dann doch alle wieder im Block (lacht).
Gar nicht mehr hinzugehen, wäre für Sie auch schwierig
geworden. Schließlich haben Sie selbst seit 1972 in der
Fortuna-Jugend gespielt.
Schmadtke: Das hat meine Loyalität noch bestärkt, gar keine
Frage. Als Jugendspieler bin ich sogar öfter mal Balljunge
gewesen. Ich durfte mich bei Heimspielen also im Innenraum
bewegen und habe die Jungs aus einer ganz anderen Perspektive
erlebt. Und dass ich später mit Leuten wie Gerd Zewe oder
Sepp Weikl noch selbst auf dem Platz gestanden habe, macht
meine Laufbahn als Fan dann noch einmal zusätzlich speziell.
Ein Spieler prägt einen Klub über so viele Jahre, dass die
Fans mit ihm erwachsen werden: Ist sowas heute noch
vorstellbar?
Schmadtke: Die Verbundenheit zwischen Spieler und Verein
ist sicherlich eine andere geworden. Aber die Umstände
sind nicht mehr vergleichbar: Früher war man immer
ablösepflichtig, auch ohne Vertrag. Das hat einen Wechsel
erheblich komplizierter gemacht und die Bindung zum
Klub automatisch verstärkt. Überhaupt ist in allen Lebensbereichen
die Mobilität ja viel größer geworden. Wenn ich
in meiner Jugend gereist bin, ist das ein halber Staatsakt
gewesen. Heute geht man zum Flughafen und fliegt
irgendwo hin. Die Maßstäbe von vor 30 oder 35 Jahren
können deshalb gar nicht mehr gelten.
Als Fan scheint es trotzdem immer schwieriger zu werden,
einen Lieblingsspieler zu haben und auch zu behalten.
Schmadtke: Dass diese Schnelllebigkeit an der Fanliebe
zum Klub rüttelt, glaube ich eher nicht. Allerdings nimmt es
meiner Wahrnehmung nach zu, dass junge Menschen nicht
mehr Fan eines Vereins sind, sondern eines Spielers. Wenn
er die Farben wechselt, wandern sie mit. Hier sehe ich dann
schon einen Unterschied zu meiner Generation, als man vom
Vater an die Hand genommen und über das Stadionerlebnis
gewissermaßen mit einer Mannschaft infiziert worden ist.
Bestimmt gibt es das immer noch, auch gar nicht so selten.
Aber dieses Reingeboren werden in einen Verein war früher
viel selbstverständlicher.
Heutigen Profis wird bisweilen unterstellt, sie würden den
Beruf eher in eigener Sache ausüben. Waren zu Ihrer Zeit
Hingabe und Herzblut für den Verein stärker ausgeprägt?
Schmadtke: Das bezweifle ich. Die ganze Branche hat sich
erheblich professionalisiert, das ist der wesentliche Unterschied.
Man muss nur auf die Größe der Trainerstäbe schauen.
Ein gutes Beispiel ist auch die Ernährung: Zu meiner Zeit kam
einmal im Jahr ein Ernährungswissenschaftler vorbei und hat
ein bisschen was erzählt. Wenn dann ein Spieler erwidert hat
„Meine Schokolade, die ich abends auf der Couch esse, ist mir
aber wichtig“, war das Thema schon erledigt. Natürlich wird
den Spielern heute eine Menge abgenommen, sie müssen viel
weniger Eigeninitiative aufbringen. Vielleicht hat damit der
Eindruck der mangelnden Leidenschaft ein Stück weit zu tun.
Aber wir haben früher auch viel Blödsinn gemacht. Nur hatten
wir den großen Vorteil, dass es keiner mitbekommen hat.
Dennoch sagt man Ihnen nach, Sie würden bei der Suche nach
Neuzugängen bewusst nicht nur aufs Sportliche achten.
Schmadtke: Na ja, man darf nicht unterschätzen, dass wir
junge Menschen im Grunde von einer Region in die nächste
verfrachten. Deshalb müssen wir uns schon intensiv damit
befassen, wie jemand mit bestimmten Themen umgeht, wie
Zwei Gesichter des neuen Erfolgs: Wout Weghorst und Jerome Roussillon haben
sich beide im Sommer langfristig zu den Wölfen bekannt.
„Deckungsgleiche Werte und Vorstellungen“: Jörg Schmadtke schaut bei
Neuverpflichtungen
sehr genau hin.
Per 8:1-Rekordsieg zurück nach Europa: „Solche Spiele möchte ich als Fan jede Woche sehen.“
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