Cheftrainer Wolfgang Wolf (ganz rechts) mit seinen Neuzugängen des Sommers 1998: Nico
Däbritz, Claus Reitmaier, Guido Koltermann, Hans-Georg Dreßen (Co-Trainer), Jan Schanda,
Charles Akonnor, Steffen Baumgart, Vitus Nagorny, Andrzej Juskowiak und Krzysztof Nowak (v.l.).
Einstand nach Maß: Seine ersten vier Bundesligatore, wie hier der 1:0-Siegtreffer im
Heimspiel gegen die Münchener Löwen, sind allesamt entscheidende.
Berühmter Moment: Wolf und Nowak beim letzten Heimspiel der Grün-Weißen am
Elsterweg gegen Borussia Dortmund.
bei. Dazu kam das Ausgleichstor beim 1:1-Heimremis
gegen Rostock. Wenn Nowak knipste, dann war das
auch Zählbares wert.
Eroberer und Regisseur
Einen torgefährlichen Strategen wie Nowak konnte man am
Mittellandkanal, wo die Wölfe ihren Platz in der Bundesliga
noch suchten, bestens gebrauchen. Andersherum schien
auch für den Polen der Schritt zurück nach Europa zum
optimalen Zeitpunkt zu kommen. Als unbeschriebenes
Blatt in einer auch sonst unterschätzten Truppe hatte er
wenig zu verlieren. Diese Chance nutzte er eindrucksvoll
und ragte aus einer mit ihm wachsenden Mannschaft zügig
heraus. Sehr viel im VfL-Spiel lief bald über Nowak, der das
Leder aus der Tiefe holte und verteilte, wertvolle zweite
Bälle gewann oder auch den selbst eingeleiteten Angriff
gern mal mit einem eigenen Abschluss beendete. Daneben
gefiel Nowak mit Kopfballstärke, enormem Antritt und
einer hohen taktischen Schule. „Ich habe nie wieder einen
so kompletten Spieler trainiert“, adelte ihn einst Wolf und
bezog weitere Qualitäten abseits des Rasens ausdrücklich
mit ein. Denn Nowak gab sich auch außerordentlich
ehrgeizig, verlässlich und ehrlich. Ein Musterprofi, wie ihn
sich jeder Trainer nur wünscht.
Hilfe beim Schnüren der Schuhe
Genau deshalb passte es auch nicht ins Bild, als der Zehner
irgendwann nicht mehr pünktlich aus der Kabine kam, weil
er Hilfe beim Zubinden seiner Schuhe benötigte. Es muss
etwa im Herbst 2000 gewesen sein, als die ersten Symptome
auftraten. Nowak hatte am Elsterweg eine zweite
bärenstarke Saison hinter sich, war zum Kopf jener
VfL-Mannschaft geworden, die erstmals in der Klubgeschichte
auf drei Hochzeiten tanzte. Die Frage, wie lange
der Nationalspieler, dem ein Platz im polnischen EM-Kader
sicher schien, noch in Wolfsburg zu halten wäre, stand
unweigerlich im Raum. Unter anderem die Bayern (siehe
Interview ab Seite 103) zeigten konkretes Interesse. Nowak
war auf dem bisherigen Höhepunkt seiner Karriere, als ihn
ein scheinbar unverdächtiges Kribbeln in den Fingern aus
dem Leben zu reißen begann. Besonders hart wurde es ab
dem ersten Quartal 2001: Am 3. Februar, bei einer
1:3-Heimniederlage gegen die Bayern, lief Nowak ein
letztes Mal von Beginn an aufs Feld, eine Woche später
bestritt er als Einwechselspieler in Berlin schon seine letzte
Begegnung als Profi. Wenig später folgte der bittere
Befund: Der Spielmacher litt an Amytropher Lateral sklerose
(ALS), einer unstoppbar fortschreitenden und nicht
heilbaren Nervenkrankheit.
Letzter Auftritt in der Arena
Seit dieser Diagnose war nichts mehr wie vorher. In der
Familie des Spielers ohnehin nicht und auch nicht beim
VfL Wolfsburg. Nowak versteckte sich nicht. Er zeigte sich
öffentlich, blieb Teil des Teams, auch als ihm der schwere
Krankheitsverlauf immer deutlicher anzusehen war. Am
Ende der Spielzeit 2001/2002, im Rahmen des letzten
Heimspiels, wurde er offiziell als Spieler verabschiedet.
Ein halbes Jahr darauf, Borussia Dortmund trat als letzter
Bundesligist im alten Wohnzimmer an, kam es zur unvergessenen
Szene im Rollstuhl, als Cheftrainer Wolf ihn
über den Rasen des VfL-Stadions schob und betreten ins
Publikum winkte, als nähme er in Nowaks Namen vom
Elsterweg Abschied. Auch die Volkswagen Arena lernte der
Pole noch kennen. Denn im Januar 2003 bewies Bayern
München Größe und kam wie versprochen zum Benefizspiel,
das der frisch gegründeten Krzysztof Nowak-Stiftung
zu überregionaler Bekanntheit verhalf. Etwas mehr als
zwei Jahre später, am 26. Mai 2005, starb Krzysztof Nowak
im Alter von 29 Jahren. 15 Jahre danach steht sein Name
für mehr als nur eine Narbe auf den grün-weißen Herzen.
Seine Geschichte, weil sie noch immer beklemmend ist und
Fans wie Verein sie würdevoll am Leben erhalten, ist längst
ein Teil der Klub-DNA. Und damit auch eine Art Brückenschlag
zwischen altem und neuem VfL. mg
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