„IN HOHEM MASSE DISZIPLINIERT“
VfL-FANBETREUER HOLGER BALLWANZ ÜBER DAS „ARBEITEN MIT DER GLASKUGEL“
WÄHREND DER CORONA-ZEIT.
Holger Ballwanz, von der Corona-Pandemie mit ihren weitreichenden
gesellschaftlichen Folgen ist auch und im besonderen
Maße der Bundesliga-Fußball betroffen. Die Stadien sind
leer, aber immerhin konnte die Saison zu Ende geführt werden.
Wie seid ihr diesen plötzlichen, neuen Herausforderungen
begegnet? Wie habt ihr die Zeit erlebt?
Holger Ballwanz: Zunächst einmal bin ich persönlich froh, dass
die DFL gemeinsam mit den Bundesliga-Klubs ein Hygienekonzept
entwickelt hat, um die Saison auf sportlicher Ebene zu Ende
zu bringen. Ein Abbruch der Saison nach dem 25. Spieltag wäre
sicherlich auch nicht im Sinne der Mehrzahl der Fans gewesen.
Freuen tue ich mich auch darüber, dass sich die Fanszenen
anscheinend an allen Standorten in einem hohen Maße diszipliniert
verhalten haben. Meines Wissens nach gab es keine
größeren Ansammlungen von Anhängern an den Stadien.
Auch ich war bei zwei Heimspielen im Einsatz und es gab keine
Vorfälle an der Volkswagen Arena. Daher an dieser Stelle auch ein
expliziter Dank an unsere VfL-Fans!
Nichtsdestotrotz sind die Hoffnung und der Wunsch groß, dass
es zeitnah wieder möglich ist, gemeinsam mit Gleichgesinnten
Bundesliga-Fußball live im Stadion statt nur auf dem TV-Schirm
mit optional eingespielten Fangesängen zu verfolgen…
Holger: Nach der Entscheidung, dass ein sportliches Saisonende
nur durch Spiele ohne Zuschauer erreicht werden
kann, gab es in Deutschlands Fanszene bekanntermaßen
eine durchaus kontroverse Diskussion darüber, was den
Kern des Erlebnisses Bundesliga-Fußball ausmacht und wie
weit und über welchen Zeitraum das reine Spiel auf dem
Rasen ohne Zuschauer-Support tragbar ist, ohne dass der
Profifußball seinen Reiz verliert. Sicherlich gibt es kaum
einen Fußballfan, ob nun Ultra oder anderer Stadiongänger,
der sich über „Geisterspiele“ freut, die man lediglich im
Fernsehen verfolgen kann. Und es war wirklich sehr
gewöhnungsbedürftig, die Partien ohne Stimmung von
den Rängen vor dem TV zu verfolgen. Manchmal habe ich
gedacht, dass es früher selbst auf dem Trainingsplatz lauter
war als in den jeweiligen leeren Stadien.
Was hat sich für euch in der Fanbetreuung konkret verändert in
den vergangenen Monaten, was die Arbeitsabläufe angeht?
Holger: Für uns als Fanbetreuung war es natürlich zuallererst
wichtig, trotzdem mit den Anhängern des VfL in Kontakt zu
bleiben. Was auf der persönlichen Ebene natürlich normalerweise
hauptsächlich an Spieltagen abläuft, mussten wir seit Mitte März
aufgrund der Kontaktbeschränkungen auf die virtuelle Schiene
verschieben. So haben wir gleich nach der Entscheidung, dass die
Saison mit „Geisterspielen“ zu Ende gespielt wird, eine Sitzung mit
dem Fanrat über „Skype“ abgehalten, an der auch Geschäftsführer
Michael Meeske teilgenommen hat. Die Versammlung mit den
offiziellen Fanclubs, die turnusmäßig noch einmal am Ende einer
Saison im Fansaal des Fanhauses stattfindet, haben wir über die
Plattform „Teams“ organisiert.
Notfallpläne in Krisenzeiten können ja auch zu neuen Zukunftsimpulsen
führen. So war schnell spürbar, dass die Maßnahmen
zur Behebung des zuvor gerade in Deutschland herrschenden
Digitalisierungsstaus plötzlich automatisch Tempo aufnahmen.
Welche Erfahrung habt ihr mit den neuen digitalen Kommunikationsformen
gemacht?
Holger: Generell sehr gute, auch was das Feedback angeht. Zu der
OFC-Versammlung waren rund 60 Vorsitzende per Internet zugeschaltet
und der eine oder andere, der nicht unmittelbar in Wolfsburg
wohnt und nur selten persönlich bei den Treffen dabei sein
kann, wünscht sich diese Art und Weise der Korres pondenz für die
Zukunft häufiger. Bei dieser Versammlung hatten wir auch Sportdirektor
Marcel Schäfer „zu Gast“, der den offiziellen Fanclubs Rede
und Antwort stand. Die Nutzung neuer digitaler Kommunikationswege
war auch für uns eine neue, gute und wichtige Erfahrung.
Allerdings kann es auf die Dauer nicht ersetzen, die Fans unseres
Klubs regelmäßig an den Wochenenden dort zu treffen, worauf sich
ihre Leidenschaft und ihr Herzblut fokussiert: in den Stadien.
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