Das Volkswagen Logo in Regenbogen-Farben: Lara Dickenmann, neue VfL-Vielfaltsbotschafterin, präsentiert mit Teamkollegin und Ehefrau Anna Blässe das Vielfaltstrikot 2020.
Rückblick nicht dramatisieren. Doppelleben sei bereits ein zu
starker Begriff. „Es war eine leichte Belastung“, trifft es nach
Ansicht der Krienserin besser. Schwule Fußballer hätten es
grundsätzlich schwerer, der Frauenfußball sei da schon viel
weiter. Um diesen Unterschied eines Tages abzubauen, sei
es das richtige Signal, dass sich der VfL Wolfsburg mit allen
Teams der von Nilla Fischer initiierten Regenbogen-Initiative
angeschlossen habe. „Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit ist
wichtig – und dazu trägt der VfL bei“, so Dickenmann.
Keine Inszenierung der Hochzeit
Dickenmann hat ihr privates Glück übrigens längst mit
VfL-Teamkollegin Anna Blässe gefunden: In der letzten
Winterpause heiratete das Paar in Las Vegas. Die Anerkennung
der Ehe in Deutschland ließ „Corona-bedingt“ ein
wenig auf sich warten: Mit dem angeforderten Dokument
aus den USA auf ein Standesamt zu gehen, fiel aufgrund
der gebotenen Kontaktvermeidung aus. Nun ist aber auch
diese Hürde genommen. Die beiden Wölfinnen gehen
zwar offen mit ihrer Beziehung um, allerdings ließen ihre
Posts auf den Social-Media-Kanälen auch immer etwas
Spielraum. Zumindest inszenierten sie ihre Hochzeit nicht
so öffentlichkeitswirksam um wie andere Fußballerinnen.
Die in der Frauen-Bundesliga noch gut bekannte Alexandra
Krieger (69 Einsätze für den 1. FFC Frankfurt) „vermarktete“
ihre Eheschließung mit der US-amerikanischen Teamkollegin
Ashlyn Harris deutlich offensiver. „Das war uns alles
nicht so wichtig“, sagt Dickenmann rückblickend. Dass die
beiden Wölfinnen ihre eigene Hochzeit viel zurückhaltender
kommunizierten als die erwähnten US-Girls, soll aber auch
nicht fehlinterpretiert werden. Es ist eher eine Frage der
Mentalität, Privates nicht über die Maße nach außen zu
kehren. Natürlich stehen Dickenmann und Blässe zu ihrer
Beziehung mit Trauschein. Und dieses Beispiel dürfte, wenn
es nach der Schweizerin geht, gerne Schule machen: „Wenn
sich noch mehr Fußballerinnen zu ihrer Liebe bekennen, ist
es für andere ein Zeichen, dass sie sich wohl in ihrer Haut
fühlen dürfen.“
„Nillas Engagement hat mich inspiriert“
Wenn Dickenmann von ihrer ehemaligen Teamkollegin
Nilla Fischer spricht, fällt nach wenigen Sätzen das Wort
„Vorbild“. Eine starke und eher nicht alltägliche Vokabel
für eine Mitspielerin. „Ihr Engagement hat mich inspiriert,
mich selbst im Bereich Vielfalt zu engagieren“, erinnert sich
Dickenmann. Es ist nur eine Mutmaßung, aber wahrscheinlich
wäre ihr Mitwirken im Buch „Vorbild und Vorurteil –
Lesbische Spitzensportlerinnen erzählen“ ohne Fischer
undenkbar gewesen. „Was Nilla für die Gesellschaft in
Deutschland, den VfL Wolfsburg und auch mich persönlich
geleistet hat, ist einfach geil“, bringt es Dickenmann
unverblümt auf den Punkt. Noch bis 2021 läuft der Vertrag
der sechsmaligen französischen Meisterin, die 2015 von
Olympique Lyon zum europäischen Dauerrivalen gewechselt
ist. Noch mindestens ein Jahr also, in dem Dickenmann
ihre Akzente als Vielfaltsbotschafterin des VfL Wolfsburg
setzen kann und will. Dass der Bereich der sexuellen
Orientierung hierbei den Schwerpunkt bildet, begründet
die eigene Geschichte. „Natürlich stehe ich als Vielfaltsbotschafterin
für alle Formen von Vielfalt“, so Dickenmann.
„Aber aus eigener Erfahrung kann ich eben am besten für
den Bereich der Homosexualität sprechen.“
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