96 | LEITWÖLFINNEN
und Wahrnehmung des Frauenfußballs hat Schult schon ein
ums andere Mal für Schlagzeilen gesorgt. Darüber hinaus
möchte die Keeperin aber auch andere Sportarten ins Licht
rücken. Olympische Sportarten zum Beispiel, von denen viele
außerhalb der Spiele ein Nischendasein fristen. Und davon
gibt es ja auch beim VfL Wolfsburg einige: „Es ist doch toll,
dass wir beim VfL so viele verschiedene Sparten haben. Das
ist gelebte Vielfalt!“ Und dann wäre da noch der Parasport.
„Im Nachgang von Olympia in Rio gab es einige gemeinsame
Veranstaltungen mit Parasportlern. Ich fand es damals sehr
beeindruckend, wie die Sportlerinnen und Sportler mit ihrer
Behinderung umgehen.“ Ein letzter, aber nicht unwesentlicher
Punkt in diesem Zusammenhang: Schult wirbt dafür, Sport bis
ins hohe Alter zu betreiben. Konkret gehe es darum, Angebote
zu schaffen, damit auch die Älteren in der Gesellschaft
an sportlichen Aktivitäten teilhaben können. Auch das sind
Formen von Vielfalt, für die es sich als Vielfaltsbotschafterin
zu kämpfen lohnt.
Kinderbetreuung im Frauenfußball?
Aber natürlich bringt die zweifache Mutter Schult auch „ihr“
Thema mit ein – ein Thema, bei dem sie aus Erfahrung
sprechen kann. Und ein Thema, das in der offiziellen Definition
des Begriffs Vielfalt (noch) nicht explizit auftaucht. Zurecht?
Sind Mütter kinderlosen Frauen gegenüber tatsächlich gleichberechtigt?
Insbesondere mit Blick auf die
berufliche Chancengleichheit hat Schult da
so ihre Zweifel. „Einer Bekannten wurde
gesagt, dass sie während des Referendariats
nicht schwanger werden dürfe.“ Natürlich sei
solch eine Drohung nicht rechtens, allerdings
störe dies so manchen Vorgesetzten wenig.
Die Errungenschaften in Deutschland –
Stichwort Mutterschutzgesetz – will Schult
dabei nicht unter den Teppich kehren. Auch
die Tatsache, dass es für Erziehungszeiten
Rentenpunkte gebe, stärke die Position der
Frau und verhindere eine Abhängigkeit vom
Partner. „Aber es gibt immer noch Berufe,
die – meistens geht es da um Führungspositionen
– nicht gerade für Mütter
geschaffen sind“, gibt Schult zu bedenken.
Dabei denkt sie auch an den Frauenfußball:
Kickende Mütter? Wie sollte das auch funktionieren?
Abwesenheitszeiten wie Lehrgänge,
Trainingslager oder Auswärtsspiele
lassen sich mit der Betreuung des Nachwuchses
eben nicht vereinbaren. Und wie
könnte man das ändern? Zuallererst betont
Schult, die gerade in der Reha an ihrem
Comeback arbeitet, dass sie keine monetäre
Erwartungshaltung gegenüber den Klubs
hat. Sprich: „Es geht nicht darum, dass
Vereine für die Kinderbetreuung aufkommen
und Nannys einstellen. Es geht vielmehr
darum, die Abläufe so zu gestalten, dass
Kinder betreuung einen Platz haben kann.“
Schult plädiert für Regeländerung
Schult möchte sich nicht zu sehr in Details
zur Umsetzung ihrer Ideen verlieren. Wichtiger
ist ihr, dass sich in den Köpfen vieler
Menschen etwas ändert. Der neuseeländischen
Premierministerin Jacinda Ardern schlugen viele Vorurteile
entgegen, als sie 2017 schwanger wurde. Und wäre es in
Deutschland nicht genauso? Wie vielen Konservativen ginge
eine schwangere Bundeskanzlerin zu weit? Dass man sich da
schon eher eine schwangere Nationaltorhüterin vorstellen
kann, liegt nicht zuletzt an Schult, die – unter der Berücksichtigung
ihres Privatlebens – sehr offen mit ihrer Baby-Auszeit
umgeht. Dass die Familienplanung bei Fußballerinnen doch
bitteschön bis nach dem Karriereende warten soll, ist übrigens
keine weltweite Denke. Um nur ein Beispiel zu nennen: Die
US-Amerikanerin Christie Pearce, besser bekannt unter dem
Namen Rampone, brachte während ihrer langen Karriere zwei
Kinder zur Welt. Und doch bleibt ein spezifisches Problem:
Eine Schwangerschaftsvertretung für einen bestimmten
Zeitraum einzustellen, ist im Fußball nicht ohne weiteres
möglich. Erst recht nicht außerhalb der Transferperioden.
Aber auch diesem Problem könne man lösen, glaubt Schult:
„Vielleicht müsste man Vereinen auch außerhalb der Transferfenster
Optionen eröffnen, im Falle einer Schwangerschaft
Spielerinnen zu verpflichten.“ Vielleicht ja ein Vorschlag für
das FIFA-Regelboard. Ob dieser Vorschlag tatsächlich jemals
umgesetzt wird, ist offen. Sicher ist hingegen, dass auch
Almuth Schult – genauso wie Lara Dickenmann und Alexandra
Popp – bestmögliche Nachfolgerinnen für die erste VfL-Vielfaltsbotschafterin
Nilla Fischer sein werden. dz
Mit Zwillingen auf dem Weg zurück ins Tor: VfL-Vielfaltsbotschafterin Almuth Schult plant ihr Comeback.