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Unter Woelfen | Ausgabe 13 | Saison 2016/2017

40 Können Sie Ihre Trainerphilosophie in wenigen Worten skizzieren? Jonker: Grundsätzlich ist man als Trainer immer abhängig von den Ergebnissen, da kann man eine noch so schöne Philosophie haben. Die bringt nichts, wenn man die Spieler dafür nicht hat, sie umzusetzen. Aus eigener Erfahrung aus den Kellerregionen kann ich sagen: Wenn es nicht funktioniert, schönen Fußball zu spielen, muss man sich etwas anderes einfallen lassen. Man sollte als Trainer also flexibel sein? Jonker: Ja genau. Aber ich kann meine Wurzeln auch nicht verbergen: Als kleiner Junge bin ich mit dem Ajax der Siebziger-Jahre aufgewachsen, das dreimal den Europapokal gewonnen und sehr schönen Fußball gespielt hat. Bei der WM 1974 in Deutschland war ich zwölf und ich erinnere mich noch sehr gut an die Spiele, die wir dort abgeliefert haben. Ich als Holländer bin natürlich durch den holländischen Fußball in seiner Erfolgsphase in den 70ern und 80ern geprägt worden. Dann habe ich auch noch bei einem Verein wie Barcelona gearbeitet, wo wir den Stil ebenso umgesetzt haben. Aber du brauchst eben die passenden Spieler. Wie kam es zur jetzigen Kontaktaufnahme mit Wolfsburg und wie leicht fiel dann die Entscheidung? Jonker: Nachdem ich damals hier wegging, bin ich die ganze Zeit mit Dieter Hecking und Olaf Rebbe in Kontakt geblieben, ebenso wie mit einigen Spielern. Ich habe die Situation beim VfL natürlich auch weiterhin mit großem Interesse verfolgt. Olaf hat mich dann angerufen und mich gefragt, ob ich es mir vorstellen könnte, Trainer von Wolfsburg zu werden. Ich habe ihn gefragt, wann und er sagte: morgen! Da ging mit natürlich einiges durch den Kopf: Bei Arsenal habe ich vieles verändert, das ganze Gelände war nach meinen Wünschen umgebaut worden. Es wurden viele Leute angestellt, die ich haben wollte. Wir waren dort auf dem richtigen Weg. Das war ein Riesen-Job. In England hat der Nachwuchsleiter eine viel höhere Bedeutung als in Deutschland. Dort wirst du Boss genannt und für die Leute, die mit dir arbeiten, bist du auch der Boss. Du verantwortest von der U6 bis zur U23 dreizehn Mannschaften. So hast du einige hundert Leute, die für dich arbeiten. Der andere Boss im Verein ist Arsene Wenger und der ist für die Profis zuständig, also für eine Mannschaft. Nachwuchsleiter ist ein sehr intensiver Job. Und diesen noch nicht vollbrachten Job zu beenden – die vielen guten Leute, die Arbeit, die fast fertige Mission, das fast fertige Gelände zu verlassen – das hat richtige Überwindung gekostet. Die „Mission“ war also noch nicht beendet? Jonker: Nein! Ich hätte noch zwei Jahre dafür gebraucht. Aber andererseits: Ich hatte mal ein Angebot von Hertha und habe abgelehnt. Danach dachte ich immer wieder, dass ich das vielleicht doch hätte machen sollen. Ein tolles Stadion, eine tolle Stadt und die Mannschaft war in Ordnung. Ich wollte nicht noch einmal eine solche Chance vorbeiziehen lassen. Fiel es leichter, sich für Wolfsburg zu entscheiden, weil Sie den VfL bereits kannten? Jonker: Auf jeden Fall. Ich kenne mich aus, ich kenne die Möglichkeiten. Als ich damals gegangen bin, war hier bereits einiges im Aufbau – neue Gebäude, ein neues Gelände. Aber ich kenne auch viele Spieler wie Luiz und Mario von Bayern, aber auch vom VfL Diego, Max, Christian, Rici und Robin, auch Maxi und Vieirinha: alle waren schon hier. Ich kenne die alle gut und hatte bereits sehr intensiv mit ihnen im individuellen Bereich gearbeitet. Ich habe gedacht, das muss doch eine gute Mannschaft sein. Natürlich habe ich mich über die Saison und die Tabellensituation gewundert. Da habe ich gewusst: Das muss ich jetzt angehen! Gutes Stichwort. Die aktuelle sportliche Situation ist trotz des Sieges in Leipzig weiterhin schwierig. Wo können Sie ansetzen, wo sehen Sie den Schlüssel zur Besserung? Jonker: Es ist ganz viel in der Mannschaft passiert, was man am Anfang der Saison nicht in den Griff bekommen konnte und auch in der jetzigen Situation noch eine Rolle spielt. Grundsätzlich steht fest: Wir haben in 24 Spielen nur 22 Tore geschossen. Damit bist du überall auf der Welt unten in der Tabelle. Das geht einfach nicht. Ich glaube, das ist das größte Problem. Über die Frage, warum wir keine Tore schießen, darüber kann man viele Theorien entwickeln. Kurz und knapp: Man muss Tore schießen, um zu gewinnen. Ist das dann ein psychologisches Problem? Jonker: Das kann ich nicht beurteilen. Es ist im Grunde ganz einfach: Wir müssen anfangen, mehr Tore zu schießen. Wenn wir mit 30 eigenen Toren die Saison beenden, dann sind wir immer noch da unten. Es müssen Tore geschossen werden – und ich muss dafür sorgen, dass wir das hinkriegen. Das Spiel nach vorne muss besser werden, das hat alles damit zu tun. Gegen Darmstadt erwartet den VfL ein eminent wichtiges Spiel. Ein Spiel, das man unbedingt gewinnen muss? Jonker: Ich habe so eine ähnliche Situation schon einmal als Cheftrainer mit Willem II einem anderen Klub erlebt. Da hatten wir neun Punkte aus 17 Spielen. Da habe ich auch nicht gesagt: Das nächste Spiel müssen wir gewinnen, sonst sind wir raus. Das stimmt nämlich nicht, man muss immer rechnen. Erst wenn „Grundsätzlich ist man als Trainer immer abhängig von den Ergebnissen, da kann man eine noch so schöne Philosophie haben.“


Unter Woelfen | Ausgabe 13 | Saison 2016/2017
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