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Unter Woelfen | Ausgabe 16 | Saison 2016/2017

Mehr schöne Geschichten dieser Serie finden Sie hier. Transfer nach Übersee Seit 60 Jahren lebt Lothar Pospich in Nordamerika. An seine Zeit bei Volkswagen hat er noch ebenso gute Erinnerungen wie an die Oberliga-Spiele im Wölfe-Trikot. Was heute der FC Bayern ist, das war seinerzeit der HSV. „Am Rothenbaum habe ich eines meiner besten Spiele gemacht. Wir haben zwar 2:4 verloren, selbst das aber war ein gutes Ergebnis“, sagt Lothar Pospich, der im Duell mit dem Dauermeister der Oberliga Nord an diesem dritten Spieltag der Saison 1955/1956 gleich mehrfach an die Querstange traf. Fünf Jahre lang, von 1954 bis 1959, mischte der VfL Wolfsburg bekanntlich in der damals höchsten deutschen Spielklasse mit. Pospich war ab der Premierensaison mit dabei, was ihn zu einem der ersten Erstligastürmer der VfL-Historie macht. Nach 58 Einsätzen in zweieinhalb Spielzeiten verließ er nicht nur die Wölfe, sondern gleich das ganze Land, wanderte erst nach Kanada aus und von dort in die Vereinigten Staaten. „Das war ein sehr großer Schritt“, blickt er zurück, „aber zugleich die beste Entscheidung meines Lebens.“ Erstligamannschaft des VfL Wolfsburg Mitte der 50er Jahre. Von links: Hans Fuhlroth, Heinz Hofbauer, Heinz Kempchen, Lothar Pospich, Fritz Apel, Dieter Schwendtner, Wilfried Karstens, Ernst Kasparu, Günther Litzenberg, Hans Bruch, Hans Kircher. Dabei war Pospich in Niedersachsen durchaus glücklich geworden. Als Flüchtling aus Ostpreußen war er in Dresden zuvor knapp dem großen Luftangriff entkommen. Nach einer Zwischenstation im Thüringer Wald schlug die Familie Wurzeln in Peine, wo Lothar ab Ende der 40er auf dem Fußballplatz auffällig wurde. Vom örtlichen VfB holte ihn Günther Brockmeyer 1954 aus der Amateur-Oberliga nach Wolfsburg. Nach dem grün-weißen Aufstieg galt Pospich als namhafter Neuzugang und traf auch gleich in seinem ersten Heimspiel ins Netz: Den 3:1-Erfolg vor 7.000 Zuschauern gegen den Eimsbütteler TV brachte er mit dem 1:0 auf den Weg und markierte damit das erste Erstliga-Heimtor in der Geschichte des VfL Wolfsburg. Erfolgreich wehrte er sich mit den Wölfen gegen den Abstieg. Dass er trotzdem seinen Vertrag nicht erfüllte, hatte keine sportlichen Gründe. „Ich kam beruflich nicht weiter. Da hat mein alter VfL-Mitspieler Jonny Güldner für mich Kontakte nach Kanada aufgebaut. Er war vorher den genau gleichen Weg gegangen.“ Das Werk hatte Pospich als eine Geisterstadt kennengelernt, da er 1954 mitten in den Werksferien anfing. „Ich war fast allein in der Halle und habe anfangs nur aufgepasst, dass die Maschinen funktionieren“, lacht der 83-Jährige. Bis zu seinem Abschied arbeitete er in der Elektro-Abteilung in Halle 4, wo er alles reparierte, was so kaputtging. In Übersee blieb er der Volkswagen Famile erhalten. 1957 ließ sich der gelernte Elektriker ins Werk nach Toronto versetzen, lernte Lothar Pospich (84) hält aus seiner Wahlheimat Los Angeles noch immer Kontakt in die Wolfsburger Region. dort um und beschäftigte sich für zweieinhalb Jahre mit Auswechselmotoren für Käfer. Wieder wechselte er 1960 das Land, folgte diesmal seiner Schwester nach Los Angeles, wo er sich zum Volkswagen Service Manager hocharbeitete. Anfang der 70er schließlich kündigte Pospich beim Autobauer, machte sich selbstständig und führte noch bis 1989 eine eigene Werkstatt. Heute, genau sechs Dekaden nach seiner Auswanderung, lebt er nach Zwischenstationen in New York und Philadelphia rund zehn Kilometer entfernt vom Strand von Malibu und hält noch immer in seine alte Heimat Kontakt. Vom aktiven Fußball konnte Pospich, zumal im besten Fußballeralter, jenseits des Großen Teichs nicht lassen. Sowohl in Toronto als auch in Los Angeles jagte er dem Leder noch nach. Das Niveau in Deutschland lag aber seinerzeit höher. „In der Oberliga Nord zu spielen, war etwas sehr Besonderes. Jedes Spiel war eine große Herausforderung. Ich hatte in Wolfsburg eine tolle Zeit“, schwärmt Pospich, der mit Wilfried Karstens, Hans Kircher und Günter Leich am Elsterweg seinerzeit die Offensivabteilung bildete. Auch von Volkswagen spricht Pospich nur positiv. Allein schon deshalb, weil sein Arbeitgeber den VfL-Spielern gegenüber sehr entgegenkommend war. „An unsere Fahrten mit den Bullis erinnere ich mich noch genau. Das Beste war: Wenn wir am Sonntag erst nach Mitternacht von den Auswärtstouren zurückkamen, dann hatten wir am Montag grundsätzlich frei.“ Unter Wölfen Volkswagen | 75


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