MEINUNG 29
ZU BEGREIFEN, DASS FUSSBALL
VERBINDET UND NICHT SPALTET
EINGASTKOMMENTARVONPHILIPP KÖSTER, CHEFREDAKTEUR 11FREUNDE
Es ist gerade einmal 25 Jahre her, da mussten dunkelhäutige
Spieler in der Bundesliga damit rechnen, bei ihrer Einwechslung
mit grunzenden Affenlauten begrüßt zu werden. Und
hatten sich Fanblocks erst einmal auf einen Spieler eingeschossen,
dröhnte es oft von den Rängen „Asylanten,
Asylanten“. Es war eine widerwärtige Stimmung, die vielen
Anhängern den Spaß am Fußball verleidete.
Seither hat sich viel getan. In den Fanblöcken fanden sich
Menschen, die gegen den Rassismus und Sexismus in
den Kurven kämpfen. In Fanzines und antirassistischen
Initiativen, aber auch in unzähligen Gesprächen mit dem
Fan nebenan. Und das wirkte.¡ Immer mehr Zuschauer
begriffen, dass das Betreten des Stadions nicht bedeutet,
den Kopf ausschalten zu müssen. Und so sind heute
Urwald geräusche und fremdenfeindliche Sprüche eher
die Ausnahme als die Regel.
Daran sollte man denken, wenn wieder einmal der Klagegesang
durch die Republik schalllt, dass auf den Rängen
alles immer schlimmer, immer gewalttätiger, immer radikaler
wird. Das ist ein Zerrbild, entstanden durch die explosionsartige
mediale Präsenz des Fußball’. Die Wirklichkeit
sieht anders aus: Wer heute zum Fußball geht, weiß, dass
die Freude am Fußball, der Genuss am Spiel auch dadurch
entsteht, dass die Anhänger ihre Klubs mit Witz, Esprit und
Kreativität anfeuern – und auf all die idiotischen Sprüche
aus Großvaters Wehrmachtskoffer verzichten.
Damit das auch so bleibt, ist Wachsamkeit gefragt. In den
letzten Wochen wurde immer gefragt, ob die Politik aus
dem Fußball herausgehalten werden sollte. Ja und nein,
lautet die Antwort. Denn für Parteipolitik ist das Stadion
der falsche Ort, dafür gibt es andere Foren und Plätze. Aber
es wäre schön, wenn sich überall die Einsicht durchsetzen
würde, dass es Grundsätze gibt, die erst unser friedliches
und menschenfreundliches Zusammenleben ermöglichen
und für die es sich auch lohnt, auf den Fußballplätzen
zu kämpfen.
Gerade auf den Fußballplätzen. Denn auch, wenn immer
die Rede ist von der schönsten Nebensache der Welt, ist
der Fußball doch für uns eine Hauptsache. Wir fiebern
schon am Montag aufs Spiel am Samstag hin, schlafen in
Vereinsbettwäsche, kauen vor Aufregung unsere Nägel
ab und schwören nach den fünften Heimniederlage, dass
wir jetzt das letzte Mal im Stadion waren, bloß um zwei
Wochen später wieder auf unserem Platz zu stehen. Fußball
ist für uns eben, um ein bekanntes Zitat von Liverpools
Coach Bill Shankly abzuwandeln, eine reichlich ernste
Angelegenheit. Und wir sollten auch als Fußballfans klar
sagen, wo wir stehen. Das ist deshalb wichtig, weil die
Fußballkultur in die Gesellschaft wirkt und umgekehrt. Und
in diesen Zeiten, in denen mancherorts Migranten durch
die Straßen gehetzt und unsagbare Dinge plötzlich wieder
als sagbar gelten, da können Fußballfans zeigen, worauf es
ankommt im Fußball.
Zu begreifen, dass Fußball verbindet und nicht spaltet.
Dass Fußball Spaß und Freude bedeutet und keinen
Platz für Hass und Gewalt lässt. Dass Fußball die Völker
verbindet und erbitterte Rivalen nach dem Schlusspfiff die
Hände schütteln lässt. Dafür lohnt es sich zu kämpfen. Auf
dem Fußballplatz und daneben.
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