Reporter Paul Beßler beschreibt die Spielszenen so genau, dass die sehbehinderten
Zuhörer hinterher mitreden können
Es steht weiterhin 0:0, die rund 25.000 Fans in der
Volkswagen
Arena sehen einen munteren Start der Wölfe –
einige VfL-Fans können den Auftritt der Labbadia-Elf jedoch
nicht betrachten. Sie sind sehbehindert und hören lediglich
die Worte von Paul Beßler. „Wenn ich nicht rede, dann
sind diese Fans wieder blind“, bringt es der Mann, der seit
15 Jahren Blindenreporter in der Volkswagen Arena ist, auf
den Punkt. Heute, beim Heimspiel gegen den SC Freiburg,
begeht Beßler sein Dienstjubiläum. Erstmals übte Beßler
2003 bei der Partie gegen Bayer 04 Leverkusen diese Rolle
aus. Inzwischen hat er über 350 Spiele reportiert. Ja, richtig –
Blindenreporter kommentieren nicht, sondern reportieren.
Dabei geben sie jedes kleinste Detail wieder, das sie sehen.
Besonders wichtig ist dabei die räumliche Verortung. Links
und rechts reichen nicht aus, es muss mehr erklärt, ein
Rahmen geschaffen werden. Gegengerade,
Haupttribüne,
Nord- und Wölfikurve grenzen das Stadion ein. Beßler muss
genau beschreiben, wo der Ball ist, wie die Spieler agieren
und natürlich auch die Schiedsrichter.
Mit den Ohren sehen
Beßler arbeitete als Tischler, studierte Innenarchitektur
und Pädagogik, er ist viele Jahre als Lehrer an einer Förderschule
tätig und erwarb sogar die Trainer-A-Lizenz. Seinen
ersten Einsatz als Blindenreporter hat er nicht vergessen:
„Durch meine Trainertätigkeit habe ich schon beim Fehlpass
im Mittelfeld gesehen, dass die Situation gefährlich
wird. Als Bernd Schuster dann tatsächlich das Tor zum
1:0 erzielte, habe ich einfach aufgehört zu reden und die
sehbehinderten
Fans wussten nicht mehr, was auf dem
Platz passierte. So lernte ich gleich meine erste Lektion:
Wenn ich nicht rede, sind sie wieder blind.“ Der 73-Jährige
kann das Spiel nicht laufen lassen, ohne etwas zu sagen.
Das Dauer-Reportieren strengt an, deswegen sind stets
zwei Reporter im Einsatz. In seiner Anfangszeit bildete er
ein Duo mit Florian Kneifel. Inzwischen geht es mit Marcel
Meyer on air. Sie wechseln sich im Fünf-Minuten-Takt ab.
Mit dem 23 Jahre
alten Meyer – beide kommen aus Salzgitter
– versteht sich Beßler bestens. Der Altersunterschied
von 50 Jahren
ist dabei kein Hindernis. „Ich arbeite analog,
Marcel digital.“ Beßler
bereitet
sich mit Zeitungslektüre vor,
Meyer online. Wichtiges
Recherchemittel ist außerdem die
umfangreiche Vorschaumappe der Deutschen Fußball
Liga
(DFL) mit allen Fakten rund um die Teams. Darin verstecken
sich nette Anekdoten, die vor allem in längeren Spielunterbrechungen
hilfreich sind. Der eingeführte Videobeweis
zum Beispiel entpuppt sich als Herausforderung.
Mit launigen
Sprüchen spielen sich beide die Bälle zu und
verleihen
ihrer Aufgabe eine besondere Note.
Worte für Bilder im Kopf
Im Block A, Reihe 9 sitzt bei jedem Heimspiel Alexandra
Bienert.
Die 46-Jährige ist seit ihrer Geburt blind. Dank
Parkausweis direkt an der Volkswagen Arena kommt sie
nahezu barrierefrei ins Stadion. „Die Wege sind kurz, wir
fühlen uns hier gut betreut. Paul ist schon lange unsere
Stimme, wir mögen ihn.“ Bienert verfolgt den Fußball im
Allgemeinen und den VfL im Besonderen regelmäßig auch
im Radio und Fernsehen. „Aber hier zu sein, ist etwas
ganz Anderes. Die Reporter erwähnen jedes Detail und so
bekommen wir alles hautnah mit.“ Seit 2011 drückt sie den
Wölfen live vor Ort die Daumen. Der Blindenverein hatte sie
Marcel Meyer, Nachwuchsreporter, visualisiert mit Leib und Seele das Fußballgeschehen
auf dem Rasen
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