Im Frauenfußball hat sich in den letzten Jahren viel getan bei
Bezahlung und Infrastruktur. Siehst du eher den Unterschied zum
Männerfußball oder freust du dich über die Errungenschaften der
letzten Jahre?
Lara: Ich bin sehr zufrieden und verdiene auch mehr als genug.
Ich hätte früher nie gedacht, dass ich überhaupt jemals vom Fußball
leben könnte. Als ich klein war, gab es diese Möglichkeit für Frauen
nicht. In den USA gab es den Versuch einer Profiliga.
Das war zur
Jahrtausendwende. Da war ich noch jung und Spielerinnen wie
Mia Hamm spielten dort. Zwischen ihr und mir lagen Welten. Ich
habe zu ihnen hochgeschaut und sie für ihre Leistung bewundert,
habe aber auch gedacht, dass ich das nie schaffen könnte. Es ist
natürlich schon so, dass man immer bessere Infrastruktur möchte.
Wenn man vergleicht, unter welchen Bedingungen die Frauen von
Manchester City, Chelsea London und Olympique Lyon trainieren,
da musst du als VfL Wolfsburg versuchen
mitzuhalten. Zumindest
wenn du weiterhin zu den besten
Teams Europas und der Welt
gehören
möchtest. Das ist die eine Seite. Die andere Seite ist, dass
wir zwar einen etwas abgewrackten Kraftraum haben, aber auch
wenn er nicht mehr schick aussieht, kann man da trotzdem gut
trainieren. Man muss nicht immer alles auf dem silbernen Tablett
präsentiert bekommen,
um Erfolg zu haben.
Siehst du es als erfahrene Spielerin als deine Aufgabe an, den
Jungen genau das zu vermitteln und für Bodenhaftung zu sorgen?
Lara: Auf jeden Fall! Bei uns beim VfL haben zum Glück alle die
richtige
Einstellung. Das finde ich auch so schön an dieser Mannschaft.
Die meisten von uns haben schon sehr viele Titel – bis hin
zum Olympia-Gold – gewonnen, aber jede kommt jeden Tag
IM GESPRÄCH | 69
zum Training und gibt einfach alles. Und diese Mentalität ist
mir am wichtigsten.
Kommen wir zurück zu deinem Privatleben. Du hast erst vor
kurzem öffentlich zum ersten Mal über deine Beziehung mit
einer Frau gesprochen. Es wird oft gesagt, dass Homophobie
im Frauenfußball
kein Thema sei. Warum hast du das Thema
trotzdem so lange gemieden?
Lara: Für mich war der Zeitpunkt vorher nie der Richtige. Weil die
Konstellation von meinen Beziehungen nicht gepasst hat und weil
es auch für meine Mutter nicht leicht war. Ich persönlich war schon
früher bereit für diesen Schritt, aber ich bin ja nicht alleine auf
dieser Welt.
Jetzt war der richtige Zeitpunkt da?
Lara: Für mich ja. In der Vergangenheit haben vor allem Nilla
Fischer
und Pernille Harder über ihre Homosexualität offen
gesprochen.
Und ich bin zu einem Punkt gekommen, wo ich das
auch machen
wollte. Allerdings ging es mir nicht darum, mich zu
outen. Die meisten Leute wussten es eh schon, dachte ich zumindest.
Aber als ich jung war, gab es niemanden, zu dem ich hochgucken
und sehen konnte: Diese Person hat ein gutes Leben und ist
homosexuell. Ich kannte niemanden, denn die meisten Leute haben
sich versteckt. Also musste ich mir Infos zusammensammeln. Mir
ist es wichtig zu zeigen, dass es okay ist, homosexuell zu sein. Dass
es ein Prozess ist und indem ich über den Prozess in meinem Leben
spreche, wollte ich anderen Menschen, denen es genau so geht
oder ging wie mir, zeigen, dass es uns gibt und wir ein gutes Leben
haben können. Mit dem Frauenfußball hatte es für mich nichts zu
tun. Ich weiß, dass der Frauenfußball ein tolerantes Umfeld ist,
aber trotzdem hat vor 15 Jahren niemand in der Öffentlichkeit
dazu
gestanden,
obwohl das Umfeld schon damals ein tolerantes war.
Beim „Gemeinsam-bewegen“-Tag fertigte die 32-Jährige Kleidung und
Kuscheltiere
für Frühchen und Sternenkinder
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