Haben oder hatten Fußballerinnen Angst, einem Klischee zu
entsprechen?
Lara: Das mag sein. Ich wollte genau das auf keinen Fall. Früher
habe ich bewusst versucht, die Leute vom Gegenteil zu überzeugen.
Das ist eigentlich komplett doof. Aber so war es.
Schlussendlich ist es mir mittlerweile einfach egal.
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Dafür, dass du davon ausgegangen warst, dass es schon viele
Leute wussten, gab es in der Schweiz große Schlagzeilen. Wie
waren die Reaktionen?
Lara: Ich habe es durchweg positiv erlebt. Für meine Mutter und
für meine Freundin war die Erfahrung nochmal spezieller, würde
ich sagen. Mir war vor allem das Feedback von den beiden sehr
wichtig. Für Barla (Lara Dickenmanns Freundin; Anmerkung der
Redaktion) ist es auch aufgrund ihres Alters nicht das Schönste
im „Blick“ (Boulevardzeitung aus der Schweiz; Anmerkung der
Redaktion) zu erscheinen. Aber ich denke nicht, dass sie das definieren
wird als Person, auch wenn sie in ihrem Findungsprozess
noch an einem anderen Ort ist, als ich es bin. Wenn man jetzt
ihren Namen googelt, stehen die Boulevard-Artikel ganz oben.
Aber in ein paar Wochen redet kein Mensch mehr darüber.
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Du hast vorhin gesagt, dass du beim Fußball deine Sorgen
vergessen kannst. Fühlst du dich nach deinem öffentlichen
Coming-out freier?
Lara: Ein bisschen vielleicht. Aber es ist keine große Erlösung. Ich
bin kein Mensch, der besonders stolz ist. Aber das war etwas, was
ich unbedingt machen wollte und zwar auf meine Art. Es ist auf
jeden Fall ein gutes Gefühl jetzt.
Der VfL spielt seit dieser Saison in allen Teams mit einer
Regenbogen-Kapitänsbinde, um ein Zeichen für Vielfalt und
gegen Diskriminierung zu setzen. Findest du dich in dieser
Aktion wieder?
Lara: Ich finde mich in der Aktion komplett wieder und finde
es mega gut. Es ist so eine einfache Sache, hat aber so viel
Aussage kraft. Besonders gut finde ich, dass wirklich alle Teams
mit machen. Mit Nillas Start wurde eine Welle losgetreten, der
jetzt immer mehr Teams in unterschiedlichen Ligen folgen. Das
ist toll. In der Schweiz bin ich Kapitänin, dort würde ich auch
gerne mit der Regenbogen-Kapitänsbinde spielen. Die Aktion
ist sehr machtvoll und wichtig. Gerade im Männerfußball,
wo Homosexualität noch immer ein Tabu-Thema ist, ist die
Regenbogen- Kapitänsbinde ein Schritt in die richtige Richtung
hin zur Akzeptanz. Es ist eine Sache, wenn Nilla Fischer diese
Binde trägt, aber es hat eine andere Tragweite, wenn es Josuha
Guilavogui und Koen Casteels machen.
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Kann es jungen Menschen, die zu einer Minderheit gehören,
stärken, wenn ein Verein klar Stellung für Vielfalt bezieht?
Lara: Ich denke 15 Jahre zurück und kann das nur bejahen. Es ist
mega wichtig. Wenn man etwas sieht, dann gibt es das. Wenn
man es nie sieht, dann muss es
irgendwie falsch sein. Solche Gedanken
haben viele, die anders sind
als die große Masse. Wenn man die
Regenbogen-Farben bei so einem
großen Verein sieht, dann hat das
eine große Bedeutung. ms
Zum ersten Teil des Interviews auf
der VfL-Website geht es hier:
IM GESPRÄCH 71
UNTER WÖLFEN MAGAZIN