Profi bereich mehr herauskommen können. Aber im Wissen,
dass ich nie zu den Top talenten gezählt habe und ich mir alles
erarbeiten musste, bin ich mit meinem Werdegang im Reinen.
Ihre längste Station als Spieler ist am Ende aber Kaiserslauterns
Zweite geblieben. War dafür der Aufwand nicht
verhältnismäßig groß?
Ziehl: Das stimmt sicherlich, aber ich bewerte das anders.
Es gibt viele, die in der Bundesliga gespielt haben und seitdem
arbeitslos sind. Diese Situation hatte ich nie. Dass ich seit dem
Abitur durchgängig Geld verdient habe, wenn es auch zeit weise
nur durch eine Umschulung war, empfinde ich als Luxus. Speziell
wenn man eine Familie hat und irgendwann Kinder im Spiel sind,
weiß man das sehr zu schätzen.
Heute trainieren Sie selbst eine U23 eines Bundesligisten.
Ihre Spieler befinden sich an der gleichen Nahtstelle zwischen
Nachwuchs und Profitum wie Sie seinerzeit. Kommt Ihnen die
eigene Vita für diese Arbeit entgegen?
Ziehl: Eher meine Einstellung zum Beruf Fußballprofi, würde ich
sagen. Dass ich mir Dinge hart erarbeiten musste, auch Situationen
des Scheiterns erlebt habe, davon profitiere ich heute. Wenn
man eigene Erfahrungen vorbringen kann, stößt man bei den
Spielern aber sicherlich eher auf Gehör, da ist schon was dran.
Wer in Ihrer Mannschaft spielt, der ist schon sehr weit
gekommen und hat auf dem Weg Opfer gebracht. Sind die
Kriterien dafür, ob es jemand jetzt wirklich schafft oder nicht,
heute noch die gleichen wie zu Ihrer Zeit?
Ziehl: Bei mir war alles freier und viel weniger durchgetaktet, als
es heute der Fall ist. Internat, Lehrgänge, Schule – das Gesamtpaket
der Leistungsanforderung ist erheblich größer geworden.
Wahrscheinlich hat sich auch die Konkurrenz situation noch
verschärft. Aber wer es bis hierhin gebracht hat, der hat grundsätzlich
das Zeug, es zu packen. Man braucht Glück und muss zur
rechten Zeit zur Stelle sein. Bekommt man die Chance bei den
Profis, und sei es nur in einem Freundschafts spiel, dann muss
man bleibenden Eindruck hinterlassen.
STECKBRIEF
Rüdiger Ziehl
geboren am 26. Oktober 1977 in Zweibrücken
Stationen als Spieler
1983 bis 1986 SC Stambach (Nachwuchs)
1986 bis 1993 SG Rieschweiler (Nachwuchs)
1993 bis 1995 FK Pirmasens (Nachwuchs)
1995 bis 1996 1. FC Kaiserslautern (Nachwuchs)
1996 bis 2002 1. FC Kaiserslautern U23
2002 bis 2004 SV Wehen Wiesbaden
2004 bis 2009 TuS Koblenz
2009 bis 2012 VfL Wolfsburg U23
Stationen als Trainer
2012 bis 2017 VfL Wolfsburg U23
(Co-Trainer/Interimstrainer)
seit 2017 VfL Wolfsburg U23 Cheftrainer
Was würde ein Drittliga aufstieg in dieser Hinsicht
bedeuten?
Ziehl: Dadurch würde sich vieles verändern. Der Konkurrenzdruck
wäre ein ganz anderer und überhaupt die gesamten
Anforderungen. Man hätte mit gestandenen Mannschaften
zu tun, würde vor weit mehr als nur 200 Zuschauern spielen.
Woche für Woche müsste man an sein Limit gehen, um zu
bestehen und immer auf den Punkt seine Leistung bringen.
Für den Einzelnen würde das die Chancen auf die Bundesliga
merklich erhöhen.
Welchen Stellenwert hätte er für Sie persönlich?
Ziehl: (überlegt) Es würde mir zeigen, dass ich mehr
rich tige als falsche Entscheidungen getroffen habe, und
natürlich hat man so etwas gern in seinem Steckbrief
stehen. Aber es wäre nicht mein Erfolg, sondern der
des gesamten Teams – der Mannschaft, der Trainer, der
Betreuer – und am Ende auch ein Erfolg der Akademie.
Es geht darum, mit einer jungen Mannschaft attraktiven
Fußball zu spielen und unter Drucksituationen über einen
langen Zeitraum konstante Leistungen abrufen zu können.
Wenn das am Ende in die dritte Liga führen sollte, dann
wäre das eine schöne Bestätigung für die Arbeit, die wir
alle zusammen hier leisten. mg
Lustiger Zufall: Ohne Lorenz-Günther Köstners gut gepflegten Geburtstagskalender
wäre der heutige U23-Chefcoach nie bei den Wölfen gelandet.
LEITWOLF | 41
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