ein täuschend echt imitierter Wolf auf, und zwar just in
dem Moment, als ein Justizvollzugsbediensteter das Flutlicht
anknipst.
13 Treffer sehr ungleich verteilt
Dreimal Rische, je zweimal Präger, Schröder und Grupe sowie
einmal Ciganovic – zehn Gegentreffer muss die Heimelf
letztendlich hinnehmen und hat es eigentlich nicht verdient,
noch mit dem Abpfiff zweistellig zu unterliegen. Die schönste
Bude beim 3:10 gelingt aber einem Mann aus Wernigerode,
dessen Prachtschuss in den Knick VfL-Keeper Bergmann nur
hinterherschauen kann. „Mit dem Ergebnis bin ich unzufrieden,
aber über das Tor freue ich mich. Das war ein richtig gutes
Spiel. Hat Spaß gemacht, mal gegen so eine Mannschaft
antreten zu dürfen“, lächelt Enrico Becker. Einen Schwerverbrecher
hat man nicht häufig im Interview. Er wirkt durchaus
sympathisch. Man kann sich jedoch noch so unbefangen mit
ihm unterhalten und fragt sich dennoch unweigerlich, warum
er wohl im Knast sitzt. Darf man so etwas fragen? „Kein
Problem: Schwere Körperverletzung, Raub und Schutzgelderpressung“,
entgegnet der 42-Jährige, der zu besseren Zeiten
in der Kreisliga gestürmt hat, als hätte man ihn nach etwas
ganz Selbst verständlichem wie seinem Lieblingsklub gefragt.
Haxe mit Messern ohne Klinge
Sich noch persönlicher auszutauschen, diese Gelegenheit gibt
es nach der Partie. In einem Nebenhof warten bereits zwei
Häftlinge aus der Gefängnisküche darauf, beiden Mannschaften
und dem JVA-Personal aus großen Bottichen die Pappteller zu
beladen. Es gibt Haxe mit Sauerkraut. Die Herausforderung, das
Fleisch mit den gezielt abgestumpften Knastmessern zerteilt zu
bekommen, macht manchem Grün-Weißen zu schaffen. Dann
ver mischen sich beide Truppen, man plaudert noch eine Weile
im Stehen, als fach simpelten hier die Spieler zweier ganz
normaler Fußballteams. Doch der klare Zeitplan erfordert, dass
sich die Welten nun wieder trennen. Unter scharfer Beobachtung
und ebensolchen Ansagen, aus der extra für die Gäste
hergerichteten Essens ecke ja nichts mitgehen zu lassen, geht es
durch eine Schleuse vom Gefängnishof runter. Ein letztes
Abklatschen plus Austausch sportlicher Grüße, dann biegen die
Häftlinge linksrum ab in die Zellen und die Grün-Weißen nach
rechts in die Zivilisation.
„Eine wertvolle Erfahrung“
„Wenn wir auf den Platz gehen, ist es uns egal, wer uns
gegenübersteht, welche Hautfarbe er hat, welcher Religion er
angehört oder was in seinem Leben alles falschgemacht hat.
Auch wenn diese Jungs im Gefängnis sitzen, hat es heute
großen Spaß gemacht. Wir alle, da kann ich für die ganze
Mannschaft sprechen, waren gerne hier“, so Team kapitän
Präger, der unter großem Applaus noch Abschiedsgeschenke
verteilte und neben den Spielbällen auch für jeden ein VfL-Polo
daließ. Bleibende Eindrücke nahmen auch seine Mitspieler mit.
Zum Beispiel Bergmann. „Das war sehr besonders. Ich hatte
noch nie ein Gefängnis von innen gesehen. Und grundsätzlich
muss man das natürlich auch nicht haben. Aber diese
Erfahrung ist für alle Beteiligten wertvoll gewesen. Vor
allem war das in meinen 40 Jahren in diesem Sport mit
Sicherheit der ungewöhnlichste Ort, an dem ich jemals
Fußball gespielt habe.“ mg
Auf ein Wiedersehen in vermutlich anderer Konstellation: Auch nach dem zweiten Gastspiel des VfL-Traditionsteams in der JVA Wolfenbüttel halten die Grün-Weißen und die
Gefängnissportabteilung freundschaftlichen Kontakt.
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