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Unter Woelfen | Ausgabe 5 | Saison 2016/2017

Mehr schöne Geschichten dieser Serie finden Sie hier. Der Handarbeiter Für den Zweitligaaufstieg 1992 brauchte es gute Nerven und besonderen Zusammenhalt. Burkhard Kick, heute in der Volkswagen Messtechnik, war hautnah dabei. Den Nervenkitzel hatte er im Abonnement. Aufstiegsdruck von innen und außen, ständig neue Konkurrenz um den Platz im Tor, dann eine beinharte Aufstiegsrunde samt bösem Erwachen im anschließenden Urlaub. Und obendrauf noch eine Mammutsaison, wie sie bis heute ohne Beispiel ist. „Eine sehr intensive Zeit, aber auch eine unheimlich schöne“, bilanziert Burkhard Kick, der zu jenen grün-weißen Helden gehörte, die den VfL Wolfsburg 1992 durch ein Nadelöhr in die Zweitklassigkeit führten. Kicks eigene Rolle war für das Gelingen des schwierigen Projekts exemplarisch. Kick kam 1991 eigentlich als neue Nummer zwei. Uwe Bullmann hatte aufgehört, Jörg Hoßbach war als erster Torwart gesetzt. Als der sich in der Vorbereitung verletzte, rückte Jungspund „Kicki“ zwar folgerichtig auf, durfte sich seiner neuen Rolle aber lange nicht sicher sein. „Eine Zeit lang hat jeden Tag ein neuer Keeper in der Kabine seine Handschuhe ausgepackt. Durchsetzen konnte sich aber keiner, deshalb wurde Bullmann wieder als Ersatzmann reaktiviert.“ Kick blieb im Tor und wurde zum Rückhalt einer bahnbrechenden VfL-Saison. Als Meister zog Grün-Weiß, das 1988 und 1991 an gleicher Stelle gescheitert war, wieder in die Aufstiegsrunde, wo es ausschließlich gegen heißblütige Ostvereine ging. „Man hat die Ost-West-Rivalität noch sehr gespürt, die Auswärtsspiele waren teils schon krass“, berichtet Kick, der sich an Beschimpfungen durch die Stadionsprecher, Tritte gegen die Sitze der Spielerfrauen und einen Dosenwurf gegen Frank Plagge erinnert. Als die Wölfe sich trotzdem durchsetzten, waren auch die Kritiker aus dem eigenen Umfeld endlich widerlegt. „Immer wieder hatte es geheißen: ‚Die wollen ja gar nicht aufsteigen.‘ Umso größer war die Erleichterung.“ Nicht mehr gebraucht hätte Kick die plötzliche Ungewissheit, die anschließend folgte. „Ich war schon im Urlaub, als ich in der Zeitung las, wir würden die Lizenz nicht bekommen. Das war schon ein Schock.“ Klubführung und Sponsoren rissen das Ruder herum. So erlebte der Keeper in seinem letzten VfL-Jahr noch die längste Saison aller Zeiten und half mit, die Wölfe von den sieben Abstiegsplätzen in der 24er-Liga fernzuhalten. Erfolge, die der gebürtige Wolfsburger auf den Teamgeist schiebt. „Die Harmonie in der Mannschaft war top. Nach jedem Abschlusstraining sind wir ein Bier trinken gegangen. Das war unser Ritual für den Aufstieg.“ Wie viele seiner Mitspieler blieb Kick in der Region. Weil Volkswagen längst sein beruflicher Mittelpunkt war. Schon die Lehre zum Werkzeugmacher absolvierte er ab 1985 im Werk, nach Stationen in der Produktion und im Werkzeugbau überwand er die mit dem Fußball oft schwer vereinbare Schichtarbeit und wechselte in die FE. Im Messwesen kümmert er sich dort seit 2008 um Bauteile wie Türen, Dächer und Heckklappen von Prototypen sämtlicher Modelle. Eine Arbeit, die zu einem ehemaligen Torwart verblüffend gut passt. „Man arbeitet mit den Händen, braucht viel Körpereinsatz und wird ständig dreckig“, lacht der 48-Jährige. „Im Grunde also wie früher auf dem Platz.“ Kick im Jahr 2016: 48 Jahre alt und immer noch für VW-Messtechnik und die VfL-Traditionself aktiv. Kick im Jahr 1992: Ein 23-Jähriger frisch gebackener Zweitligist mit damaliger Haar- und Trikotmode. Fliegender Kick: „Man arbeitet mit den Händen, braucht viel Körpereinsatz und wird ständig dreckig“ – das galt für ihn auf dem Fußballplatz und gilt immer noch für seinen Arbeitsplatz im Werk. Unter Wölfen Volkswagen | 69


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