Zeit komplett etwas drehen kann: von der Spielweise, von
der Art, wie man auftritt. Ich glaube, dadurch haben wir
viele Leute zurückgewonnen, die wir vielleicht ein bisschen
verloren
hatten. Aber viel wichtiger ist es, sich selbst zu
finden
und zufrieden zu sein. Ich glaube, dass die Mannschaft
da einen guten Weg gefunden hat mit dem Rahmen,
den wir ihr gesetzt haben.
Einige Spieler sprachen im Sommer von der härtesten
Vorbereitung ihrer Karriere. In der Winterpause verhielt
es sich offenbar ähnlich. Kann man also sagen, dass
Fitness
der Schlüssel zum Erfolg ist?
Labbadia: Fitness ist eine Grundvoraussetzung, die man
schaffen muss, darüber brauchen wir also gar nicht zu
reden.
Die Frage ist, wie man Fitness beschreibt. Heutzutage
ist Fußball ein Intervallspiel. Die Spieler sind
permanent
in Bewegung und immer wieder sind Tempoläufe
gefordert. Für solch ein Spiel wäre es eigentlich
notwendig, über zwei Monate erstmal das Körperliche
aufzubauen.
Aber wir haben ja meist nur sechs oder sieben
Wochen Saisonvorbereitung. In dieser Zeit musst du nicht
nur an der Fitness arbeiten, sondern auch spieltaktisch
trainieren.
Unser Credo ist es, sehr viel mit dem Ball zu
arbeiten. Die Spielweise, die wir an den Tag legen, ist sehr
intensiv. Wir wollen einen agierenden Fußball spielen. Wir
wollen den Gegner immer wieder unter Druck setzen und
uns gut bewegen, vor allem, wenn wir den Ball haben.
Das ist die schwierigste Form des Fußballs. Es ist die eine
Sache, den Gegner zu bearbeiten, wenn er den Ball hat. Für
mich ist es aber noch viel wichtiger, wie wir bei eigenem
Ballbesitz
auftreten. So ein Spiel war in der vergangenen
Saison gar nicht möglich.
In der aktuellen Spielzeit klappt das dagegen gut, oder?
Labbadia: Ja, aktuell haben wir mit den meisten Ballbesitz
in der Liga. Nur Teams wie Bayern und Dortmund liegen in
diesem Bereich vor uns. Das heißt nicht automatisch, dass
man mit Ballbesitz immer Erfolg hat, aber ich mag einfach
gerne einen agierenden und technischen Fußball. Dafür
haben
wir viel getan. Ob das intensiv war? Ganz klar! Aber
es gibt zwei Formen von Intensität. Man kann entweder
den Spieler nur quälen ohne Ball. Oder, und dafür haben wir
die Zeit genutzt, sehr intensive Trainingseinheiten mit dem
Ball absolvieren. Aber ohne einen spielerischen Plan würde
es nicht funktionieren. Wir haben klare Vorstellungen.
Das Schöne ist, dass die Mannschaft sich sehr damit
identifiziert. Man merkt, dass sie unsere Spielweise total
aufgenommen
und Freude daran hat.
Sind Sie froh über den berüchtigten Fitnesshügel?
Der war ja vor Ihrer Zeit ein wenig still stehengelassen
worden.
Labbadia: Dankbar ist eher Günter Kern, unser Konditionstrainer.
So ein Hügel ist erstmal eine Topmöglichkeit, viele
Dinge zu trainieren, die dem Spieler sehr gut tun. Man
kann ja den Berg nicht nur hochlaufen. Man kann runtersprinten,
um über die 100 Prozent zu kommen beispielsweise.
Es lassen sich verschiedene Treppenhöhen für die
Fußgelenksarbeit nutzen. Außerdem bietet er sich für die
Kraftarbeit an. Diese Möglichkeiten haben wir uns zunutze
gemacht. Für uns war definitiv klar, dass wir den Hügel
wieder aktivieren. Er war ein bisschen eingestaubt und
mit Gras bewachsen (lacht). Und tatsächlich spielte diese
Möglichkeit eine maßgebliche Rolle dafür, dass wir uns im
Sommer gegen ein Trainingslager außerhalb Wolfsburgs
entschieden haben.
Das war keine schlechte Entscheidung, wie es scheint.
Aber der Hügel ist auch während der Saison in Benutzung,
oder?
Labbadia: Ja, wir konnten die Bedingungen in Wolfsburg
sehr gut nutzen. Die Spieler haben hervorragend gearbeitet.
Aktuell nutzen wir den Hügel zum Beispiel für die
Arbeit mit verletzten Spielern. Auf dem Hügel kann man für
spezielle Belastung sorgen und ganz andere Bewegungen
einbauen. Man braucht nicht immer eine Wahnsinns-Gerätschaft,
um gut zu trainieren.
Kann hartes Training eine Mannschaft zusammenschweißen?
Labbadia: Hartes Training klingt so, als würde man die
Spieler quälen. Intensives Training lasse ich gelten. Das
bedeutet, teilweise über einen Punkt zu gehen, den man
sich selber gesetzt hat. Das ist eine super Erfahrung, die ich
in meiner Fußball-Karriere oft genug selber gemacht habe.
Ich weiß daher, dass das natürlich in diesem Moment nicht
immer Spaß macht. Aber wenn man es schafft, ist das ein
Gefühl, das man gar nicht beschreiben kann. Wenn man
danach gemeinsam beim Essen sitzt und weiß: ‚Schön,
dass wir das geschafft haben‘, ist das sicherlich etwas, was
dazu führt, dass man noch enger zusammenwächst. Das
intensive Arbeiten im Sommer hat also auch dazu geführt,
dass wir noch schneller zu einer Einheit geworden sind.
Mit welchen Maßnahmen kann ein Trainer ansonsten den
Mannschaftsgeist fördern?
Labbadia: Als Trainer ist man für viele Sachen verantwortlich.
Dazu gehört es, permanent zu beobachten, wie die
Stimmung ist. Mit wem muss man reden? Welche Gruppe
muss man zusammenholen und auf welche Dinge explizit
eingehen? Unser Job ist es, das Training auf dem Platz zu
leiten, aber auch das Drumherum ist gewaltig. Man hat die
Fantasie als Spieler, dass man weiß, wie der Trainerberuf
funktioniert. Aber das ist ein Irrglaube. Mir ging es auch so,
dabei hatte ich von Tuten und Blasen keine Ahnung.
Der Dialog mit den Spielern ist dem Cheftrainer sehr wichtig. Oft sieht man ihn im
Einzelgespräch am Trainingsplatz.
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