Koen: Ich habe das häufig gehört, dass man etwas verrückt sein
muss, um im Tor zu stehen. Ich stand im Alter von sieben Jahren
das erste Mal im Tor und habe mir die Bälle um die Ohren schießen
lassen. Ich bin nicht verrückt, sondern habe mich daran gewöhnt.
Wenn man das lang genug macht, ist es ganz normal.
Ihr seid beide hervorragend auf eurer Position zwischen
den Pfosten. Während Almuth eher extrovertiert und auch
ein bisschen verrückt ist, würde man Koen eher als ruhige
Persönlichkeit beschreiben. Was ist denn nun besser?
Koen: Das zeigt für mich nur, dass das Torhütersein überhauptnicht
typenabhängig ist. Du kannst so wie ich ein ruhiger Vertreter sein.
Wenn ich dann auf den Platz gehe, bin ich eben laut, wenn es die
Situation erfordert.
Almuth: Das ist bei den Feldspielern nicht anders. Es gibt laute und
leise. Als Torhüter im Fußball ist es eh nicht so schlimm. Das ist
beispielsweise beim Handball viel extremer, weil die Torwarte da
viel häufiger abgeschossen werden. Beim Fußball kannst du viele
Situationen bereits im Keim ersticken, bevor es überhaupt um Kopf
und Kragen geht oder wehtun könnte.
Koen: Das ist vollkommen richtig. Du musst permanent mitdenken,
wissen wohin die nächste Flanke kommt. Wenn der Außenspieler
anläuft, machst du eben schon einen Schritt nach vorne, weil du
möglicherweise die Flanke bereits erahnst. Es passiert auch total
selten, dass einem Torhüter an den Kopf geschossen wird. Es lässt
sich vieles mit Technik und Antizipation lösen.
Generell hat man das Gefühl, dass Fehler bei Torhütern
mehr beäugt werden. Woran liegt das?
Koen: Wenn du einen Fehler machst, ist es zu 90 oder 95 Prozent
ein Tor. Wenn ein Stürmer einen Ball verschießt, macht aber den
nächsten rein, dann ist er immer noch der Held. Das ist Teil unseres
Jobs – wir dürfen uns keine Fehler erlauben.
Almuth: Darüber habe ich auch schon ab und an nachgedacht.
Wenn ein Feldspieler beispielsweise 80 Pässe spielt und davon zehn
danebengehen, dann sagt man, die paar Bälle – kein Problem.
Koen: …oder gute Quote.
Almuth: Spielt ein Torhüter aber von 20 Bällen einen verkehrt,
dann haben wir eigentlich eine bessere Quote, aber wenn das
Ding dann im Tor landete, hast du das Spiel versaut. Wir müssen
zu hundert Prozent da sein, es gibt keine 99. Almuth, du erlebst in
der Allianz Frauen-Bundesliga
Du erlebst in der Allianz Frauen-Bundesliga ab und an Partien,
in denen über einen großen Zeitraum kaum Bälle auf dein Tor
kommen. Dann gibt es aber meist einen Moment, in dem du bereit
sein musst. Wie machst du das?
Almuth: Wenn man mich beim Spiel beobachtet, dann sieht man,
dass ich immer mit dem Ball verschiebe. Ich verfolge das Spiel
sehr genau und gebe fast permanent Anweisungen an meine
Vorder leute. Sobald der Ball im Spiel ist, bin ich voll fokussiert und
versuche, meinen Mitspielerinnen zu helfen.
Koen, du hast häufig eine sehr lautstarke Fan- Menge hinter dir.
Irritiert dich sowas oder kann man das ausblenden?
Koen: Es irritiert mich manchmal, weil ich meine Mitspieler
nicht erreichen kann. Ich will etwas sagen oder sehe, dass ein
Gegenspieler einläuft und schreie, aber mein Kollege hört mich
nicht. Wenn dadurch dann ein Gegentor fällt, dann ist es besonders
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