90 | NUMMER 10 DER HERZEN
über zwei Jahren lebte das Ehepaar Nowak inzwischen in
Wolfsburg. Glücklich. Aus der Jugendliebe – sie lernten sich in
der polnischen Kleinstadt Pniewy kennen – wurde die große
Liebe. Trotz familiärer Differenzen, Krzysztofs Eltern waren
erzkatholisch und der Meinung, Beata sei nicht die richtige
Frau an seiner Seite, gingen sie ihren Weg gemeinsam. Dieser
führte sie bis nach Brasilien. „Noch nicht verheiratet, aber
mit einem Fußballspieler
und einem Baby.“ Alles andere als
selbstverständlich zur damaligen Zeit.
Leidenschaftlicher Fußballer
Von 1996 bis 1998 spielte Nowak bei Atletico Paranaense,
weit weg von Europa. Ein ungewöhnlicher, aber wichtiger
Karriereschritt.
Denn über Südamerika schaffte es der Pole
in die Bundesliga zum Aufsteiger nach Wolfsburg. VfL-Coach
Wolfgang Wolf holte Nowak ins Team, dessen Gesicht er
in den folgenden zwei Saisons wurde. Der Spielgestalter
nutzte seine Chance, etablierte sich schnell bei den Wölfen
zum Stammspieler. Im ersten Jahr absolvierte der damals
23-Jährige
30 Partien, im zweiten – mit UEFA- und DFBPokal
Einsätzen
– sogar 33. Nowak agierte zentral mit der
Nummer 10, wie ein Regisseur. „Vereine wie der FC Bayern
München waren auf meinen Mann aufmerksam geworden.“
Beata erzählt, was für ein leidenschaftlicher Fußballer ihr
Krzysztof war. Auch ihre Augen leuchten. „Mein Mann saß
nach jeder, wirklich jeder Trainingseinheit am Schreibtisch und
hat die Inhalte aufgeschrieben, Spielzüge aufgezeichnet. Es
gab einen Schreibblock für Heim- und Auswärtsspiele sowie
für die Trainingsinhalte.“ Unzählige Stichpunkte hatte sich der
Profi gemacht. Niemand ahnte zu diesem Zeitpunkt, dass er
am 10. Februar 2001 gegen Hertha BSC das letzte Mal als
Fußballer
auf dem Platz stehen würde. „Krzysztof hat seinen
Beruf über alles geliebt.“ Wieder kommen die Tränen. Zu
emotional sind die Erinnerungen für Beata Nowak. Vorsichtig
taste ich mich durch ihr Leben, den vorbereiteten Fragenkatalog
habe ich schon lange zur Seite gelegt. Sie erzählt ihre
Geschichte. Pur. Ehrlich. Gefühlvoll. Es dauerte einige Monate,
bis die Diagnose
feststand. Denn der Krankheitsverlauf war
untypisch. Gewöhnlich treten die ersten Beschwerden in
den Beinen auf, in denen die Muskelkraft deutlich nachlässt.
Doch Nowak
sagte zu Herbie in der Kabine, dass seine Füße in
Ordnung seien und er den Ball spielen könne. Beata: „Bei ihm
begann es mit steifen Fingern, später folgten die Arme. Saßen
wir zusammen auf dem Sofa, zuckte es unter seiner Haut den
Arm entlang. Seine Nerven waren abgestorben, die Muskulatur
verkümmerte.“
Sie veranschaulicht es mir an ihrem rechten
Arm. „Was sollten wir tun?“ Ein Ärztemarathon begann.
Aufgeben oder weitermachen
In Göttingen gab es erstmals die niederschmetternde Nachricht:
ALS. Zu 40 Prozent. Es blieb noch Hoffnung. Familie
Nowak versuchte alles. So wie Krzysztof auf dem Fußballplatz
gekämpft hatte, so tat er auch alles für eine mögliche Heilung.
„Wir haben weiter auf ein Wunder gehofft, denn in der Neurologie
war nichts sicher.“ Doch auch das nächste Ergebnis war
erschütternd. Mit VfL-Mannschaftsarzt Dr. Günter Pfeiler flog
der Ex-Profi in die USA. Als polnischer Staatsbürger hatte es
einige Wochen gedauert, bis er das nötige Visum erhielt. In
Houston, Texas wurde er wieder gründlich untersucht, musste
verschiedene Tests absolvieren. Beata: „Und dann waren
wir schon bei 60 Prozent. Ich konnte das nicht akzeptieren.“
Sie tat alles für ihren Mann. „Ich wollte einfach nur, dass er
Krzysztof Nowak war ein Vollblutprofi: 83 Mal trug er das Wölfe-Trikot und erzielte dabei zehn Tore.