Dank und Verbundenheit beim Benefizspiel zwischen dem VfL und dem FC Bayern am 20. Januar 2003.
bei uns bleibt. Wir waren doch eine Familie.“ Es wird still im
Medienarbeitsraum. Ich greife nach Beatas Hand. Inzwischen
bin ich ganz in ihre Geschichte eingetaucht und fühle mit ihr.
Ihre Traurigkeit ist greifbar. 14 Jahre hin oder her. Sie hatte
ihren Lebensmenschen verloren, die Kinder ihren Vater, der
VfL einen großartigen Sportler. Aufgeben oder weitermachen,
diese Frage stellte sich für Familie Nowak nicht. Inzwischen
saß Krzysztof im Rollstuhl, seine Muskulatur ließ immer mehr
nach. Tag für Tag war die Verschlechterung seines Zustands
spürbar. Die heimtückische Nervenkrankheit lähmte Stück für
Stück seinen gesamten Körper. „Krzysztof war im Kopf immer
klar, bei vollem Bewusstsein.“ Er wollte die Zeit, die ihm blieb,
mit seinen Liebsten verbringen. Urlaub in Portugal, Urlaub auf
Kuba, Besuch im Disneyland. Beata steht auf, zeigt mir, wie
sie ihren Mann trug, im Flugzeug auf ihren Schoß setzte. „Er
wäre ja sonst zur Seite gekippt. Ich habe ihn die ganze Zeit im
Arm gehalten.“ Dazu nahm sie die Kinder an die Hand, rollte
die Koffer durch die Gegend. Ihre Kraft schien unendlich. In
Portugal bekam Krzysztof eine Lungenentzündung. Der Arzt
im Krankenhaus empfahl ihr, ihn in ein Hospiz zu verlegen. Als
sie darüber spricht, funkeln ihre Augen immer noch ungläubig.
Sie wollten doch gemeinsame Erinnerungen schaffen,
zusammenhalten
bis zum Schluss. Glücklich sein. „Das war
mein Krzysztof und das hilft mir heute.“
FC Bayern zeigt Herz
Krzysztof Nowak ließ sich seinen Lebensmut nicht nehmen.
Der VfL Wolfsburg mit seinem Cheftrainer Wolfgang Wolf,
später Jürgen Röber und Eric Gerets sowie Manager Peter
Pander und Thomas Strunz gaben ihm Kraft. Er war weiterhin
ein Teil der Mannschaft. Jahrelang besuchte er die Trainingseinheiten
und Spiele seines Vereins. Am 20. Januar
2003
kam der FC Bayern München zu einem Benefizspiel zugunsten
der 2002 gegründeten Krzysztof Nowak-Stiftung in
die neue Volkswagen Arena. Das moderne Schmuckstück,
in dem der ehemalige Nationalspieler nicht mehr selbst
spielen konnte,
war noch einmal die große Bühne für den
Ex-Profi.
Der Rekordmeister hatte zu aktiven Zeiten Nowaks
die Fühler nach dem Techniker ausgestreckt und zeigte sich
von seinem
Schicksal ebenfalls betroffen. Ohne Gage reisten
die Münchner
nach Wolfsburg, um ihren Beitrag der Hilfe zu
leisten. Für zahlreiche VfL-Fans bleibt bis heute unvergessen,
als ihre „Nummer 10 der Herzen“ – tapfer im Rollstuhl
sitzend – über das Spielfeld aus dem Stadion geschoben und
selbst von den Gefühlen übermannt wurde. 17.000 Zuschauer
sorgten mit „Nowak“-Sprechchören für eine emotionale und
bewegende Atmosphäre. Dass die Wölfe die Partie gegen
den FCB durch ein Tor von Martin Petrov mit 1:0 gewannen,
war an diesem Abend nicht entscheidend. Nächstenliebe
und Zusammenhalt standen im Mittelpunkt. Und am Ende
eine große Dankbarkeit über die Spenden für die Stiftung,
mit der Krzysztof, aber auch andere Menschen, die an ALS
litten, unterstützt werden konnten. Die Krankheit änderte das
gesamte Leben der Nowaks, aber es änderte nichts an ihrer
Liebe zueinander. „Ich machte mir tausend Gedanken, bekam
nur keine Antworten“,
so Beata, die katholisch erzogen wurde,
ihren Glauben jedoch fast verloren hatte. „Ich war enttäuscht
von Gott. Neben Krzysztofs Grab wurde eine Freundin von mir
beerdigt. Sie starb vier Jahre später an Krebs und hinterließ
einen
kleinen Sohn.“ Beata greift erneut zum Taschentuch. Zu
viele Gefühle, zu viele Menschen, die ihr genommen wurden.
Und doch war immer klar, dass sie in Wolfsburg bleiben
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