TUTTI MINUTI
NUR ANDREA BARZAGLI ABSOLVIERTE JEDE MINUTE DER MEISTERSAISON
Nach vier Jahren beim sizilianischen Klub US Palermo stand
Andrea Barzagli im Sommer 2008 vor der Wahl: Soll er zur
AC Florenz, dem Verein in der Nähe seines italienischen Heimatortes
Fiesole, wechseln oder doch einen Sprung in ein komplett
neues, noch unbekanntes Umfeld zum VfL Wolfsburg wagen?
Nach Deutschland, genau in das Land, in dem er 2006 den
Weltmeistertitel mit der Squadra Azzurra gewinnen konnte. Der
Innenverteidiger entschied sich für die Wölfe. Ein Entschluss, den
er in der Nachbetrachtung wohl nicht besser hätte treffen können.
„Vielleicht war die Entscheidung damals unreif und ein wenig naiv.
Letztlich war es aber eine sehr glückliche Entscheidung, weil wir
in dieser Saison nicht nur den Titel gewonnen haben, sondern ich
auch Dinge mitnehmen konnte, die für meine weitere Karriere
wichtig waren“, betont Barzagli knapp zehn Jahre nach dem
größten Erfolg der grün-weißen Vereinsgeschichte.
Sofort Abwehrchef
Gemeinsam mit seinem Landsmann Cristian Zaccardo, der ebenfalls
im Sommer 2008 aus Palermo nach Wolfsburg kam, ging der
damals 27-jährige Barzagli das Abenteuer Bundesliga an – und
bekam dabei das vollste Vertrauen seines Trainers Felix Magath
geschenkt. Zunächst profitierte er allerdings vor allem vom guten
Heilfleisch seines Körpers. Durch die Teilnahme an der Europameisterschaft
sowie durch eine nicht eingeplante Meniskus-Operation
startete der Abwehrspezialist mit drei Wochen
Verspätung in die Saison-Vorbereitung. Immer wieder hatte er
in der ersten Phase mit Oberschenkelproblemen zu kämpfen, die
zu Wettbewerbsbeginn allerdings wie verflogen waren, so dass
Barzagli eine feste Größe in der VfL-Innenverteidigung wurde,
während die zweite Position in der Meistersaison des Öfteren
geändert wurde. Anfangs spielte vor allem Ricardo Costa, dann
durfte sich Alexander Madlung beweisen, in der Rückrunde war
es Jan Simunek, ehe in der Endphase der Spielzeit erneut
Madlung auf dem Feld stand.
Barzagli dirigiert die Defensive
Der Italiener verpasste in der kompletten Saison nicht eine Minute,
absolvierte jede Bundesliga-Partie vom Anstoß bis zum Abpfiff.
Nicht nur im VfL-Kader war er somit der einzige Akteur, der die
kompletten 3.060 Minuten absolvierte, sondern im gesamten
deutschen Oberhaus konnte Barzagli dieses Alleinstellungsmerkmal
unter allen Feldspielern für sich beanspruchen. „Damals
war ich natürlich noch jünger und sehr fit – dank des Trainings
von Felix Magath. In dieser Saison war das Training wirklich sehr
hart, so dass ich physisch bestens vorbereitet war, um jedes Spiel
auf dem Platz zu stehen“, erklärt Barzagli. Als Abwehrchef einer
offensiv ausgerichteten Mannschaft musste er darüber hinaus
häufig dirigieren, um im Falle eines Gegenangriffes wenigstens
einige Mitspieler hinter dem Ball zu haben. „Ich habe für die
Ordnung in der Abwehrreihe gesorgt. Unsere Mannschaft war
wie eine Herde aus verrückten Pferden, die immer nach vorne
geschoben hat. In einer Top-Mannschaft braucht man allerdings
ein Gleichgewicht. Mein Beitrag war daher, dieses Gleichgewicht
herzustellen.“
„UNSERE MANNSCHAFT WAR WIE
EINE HERDE AUS VERRÜCKTEN
PFERDEN, DIE IMMER NACH
VORNE
GESCHOBEN HAT.“
Zusammenhalt als Erfolgsrezept
Nach 34 Spieltagen hatten die Wölfe für einen Meister vielleicht
ungewöhnlich viele Gegentreffer kassiert, 41 an der Zahl, durch
die insgesamt 80 Tore auf der eigenen Habenseite galt das oft
zitierte Sprichwort aus dem US-Sport „Offensive gewinnt Spiele,
Defensive gewinnt Meisterschaften“ allerdings nicht – ganz im
Barzagli jubelt gemeinsam mit Abwehrkollege Madlung.
Die Schale fest in italienischer Hand.
46 | AUSWÄRTSSPIEL