76 | IM GESPRÄCH
Was passierte dann?
Thiam: Ich bin mit Cedric Makiadi und Andre Lenz zur
U-Mannschaft und wir haben das Spiel dort gewonnen. Eine
Woche später war ich wieder im Einsatz für die Profis – so
schnell ging das. Er war immer sehr direkt, manchmal hart,
aber durchaus in der Lage, wenn jemand willig war und Gas
geben wollte, das zu honorieren. Das war allerdings schon
zum Ende meiner Karriere und die Zeit davor war nicht
spurlos an mir vorbeigegangen. Ich hatte schon das eine oder
andere Wehwehchen.
Wie hat er Sie anschließend von einer Tätigkeit als
Teammanager
und Assistent überzeugt?
Thiam: 2007 hat mir Magath gesagt, dass er zur neuen
Saison etwas ändern möchte und dafür gute junge Spieler an
der Angel habe. Damit hat er die Frage verknüpft, ob ich auch
einen anderen Job im Verein übernehmen würde. Wir haben
uns dann abends zum Essen getroffen und er hat mir erzählt,
wie er sich die Zusammenarbeit vorstellt. Ich habe spontan
zugesagt. Ab dem Winter 2008 habe ich mich parallel zum
Trainingsalltag für die kommende Saison und die Sommervorbereitung
eingearbeitet.
Würden Sie diese Entscheidung heute nochmals so treffen?
Thiam: Den Weg vom Platz ins Büro habe ich mir damals
selber ausgesucht, aber es fiel mir schwerer als gedacht.
Ich war 16 Jahre Profi gewesen und habe dann ohne Pause
den Umschwung vom Spieler ins Management gemacht. Es
waren viele neue Dinge mit einem ganz anderen Arbeitsrhythmus
und ich musste mich plötzlich um viel mehr
kümmern als nur um mich. Das war schon ein knallharter
Übergang, aber ich habe unheimlich von dieser Chance profitiert.
Die Erfahrungen der letzten Jahre haben mich immer
weitergebracht. Ich bin stolz, dass ich immer noch beim VfL
bin, weil das keineswegs selbstverständlich ist. Dass wir
damals dann so erfolgreich waren, hat natürlich
auch sehr
geholfen. Ich war natürlich etwas wehmütig, als das Team
damals Meister wurde. Da habe ich schon gedacht, dass ich
gern nochmal auf dem Platz gestanden hätte.
Haben Sie sich denn nicht als Teil der Meistermannschaft
gefühlt? Immerhin hatten sie als rechte Hand von Felix
Magath eine sehr wichtige Position im Team.
Thiam: Doch, selbstverständlich. Das lag aber zum Teil auch
daran, dass ich die Spieler wie Marcel Schäfer, Edin Dzeko
und Grafite auch noch als Mitspieler kannte. Ich hatte deren
Anfänge gesehen und ihre Schwierigkeiten begleitet. Ich
war damals ein erfahrener Spieler und habe versucht zu
unterstützen.
Gibt es Aspekte aus der damalige Zusammenarbeit mit
Felix Magath, die Sie in ihre jetzige Tätigkeit als Leiter der
VfL-Fußball.Akademie übernommen haben?
Thiam: Eine gewisse Gelassenheit. Er war damals Geschäftsführer,
Sportdirektor und Trainer in einer Person und wenn
man sieht, wie viel Arbeit jede Position für sich vereinnahmt,
dann ist es bemerkenswert, wie gelassen er das gemanagt
hat. Im Nachgang ist mir klargeworden, dass man nicht alles
beeinflussen oder sich mit allem beschäftigen kann. Ich
arbeite genauso. Ich bearbeite und beeinflusse das, was ich
kann. Ich versuche immer im Kern zu bleiben, was außerhalb
meiner Reichweite liegt, damit beschäftige ich mich nicht.
Das habe ich damals gelernt.
Grafite erzählte, dass Sie ihm geraten hätten, dem Trainer
niemals zu sagen, dass er müde sei. Wie kam das?
Thiam: Ich kannte Magath einfach gut und wusste, was
uns erwarten würde. Gerade Jungs wie Graffa haben mich
damals gefragt: „Das gibt´s doch gar nicht! Was ist denn
jetzt los? Was ist das für ein Trainer?“ Ich habe dann stets
gesagt, dass er sich keinen Kopf machen soll und immer
Vollgas geben muss. Wenn der Trainer fragt, wie es ihm geht,
soll er sagen: „Trainer, mir geht´s gut!“ Wenn du bei Magath
spielen wolltest, brauchtest du einfach hundertprozentige
Bereitschaft. Er wollte nur hören, dass du bereit bist zu
marschieren.
Er hat es rückblickend auch gut und vor allem erfolgreich
gemeistert.
Thiam: Graffa musste Magaths Methoden auch sehr hart am
eigenen Leib verspüren, wenn wir Zirkeltraining gemacht
haben. Da hat er mich mal gefragt, ob wir in Deutschland
immer so hart ackern. Ich habe darauf geantwortet: „Nein,
das ist nicht überall so, aber es ist besonders bei diesem
Trainer so. Du wirst dich noch daran gewöhnen!“ (lacht)
War das harte Training
denn die entscheidende Formel für
die spätere Meisterschaft?
Thiam: Magath hat gern gesagt, dass wir gar nicht wüssten,
was unsere Körper zu leisten imstande sind oder aber, dass
wir noch nie an unsere Grenzen gestoßen wären. Wenn
man das rückblickend betrachtet, war es sensationell,
wie
die Truppe dies in Erfolge umgemünzt hat. Die Jungs sind
unheimlich viel gelaufen und haben viele Tore geschossen.
Natürlich gab es auch Dellen, aber wir waren zu Hause
einfach eine Macht. Und das hatte zum großen Teil mit dem
Training und dieser Willensschulung zu tun.
Seit 2008 ist Pablo Thiam ununterbrochen beim VfL Wolfsburg in verschiedenen
administrativen Funktionen tätig.